Augen auf, Ohren auf, die Musikzukunft naht
Wie werden wir künftig Musik hören, spielen, kaufen? Eine Salzburger Konferenz gab Ausblicke.
„Wollen Sie es mit einer Brille probieren?“, fragt die freundliche Fachkraft am Infostand. An den Sehfähigkeiten ihrer Besucher zweifelt sie aber gar nicht. Es geht ums Hören. Und ums Klavierspielen. Eine Datenbrille liegt auf dem digitalen Klavier, das im Studio der Universität Mozarteum aufgestellt ist. Wer sie aufsetzt und dann auf dem Klavierhocker Platz nimmt, erweckt zwar für Außenstehende den Eindruck, als ob er ins Leere starre. Doch die Benutzer selbst sehen durch die VR-Brille ein virtuelles Notenblatt und mehrere Schaltfelder. Je nachdem, ob man die PlayTaste drückt oder den Übe-Modus wählt, bekommt man das Stück korrekt vorgespielt oder kann es selbst versuchen. Für die Fehler verteilt der virtuelle Lehrer rote Punkte auf dem Notenblatt. „Sonavera“heißt das System für den Klavierunterricht, das der Belgier James Cauwelier entwickelt hat und nun bei der „Karajan Music Tech Conference“vorstellt. Die Verschränkung von Musik und Zukunftstechnologien ist das Thema der Messe, die vom Salzburger Karajan-Institut ins Leben gerufen wurde und am Freitag zum zweiten Mal stattfand.
Ein paar Stände weiter wird ebenfalls eine Wahrnehmungshilfe vorgeführt. „Stellen Sie sich vor, sie sitzen vor dem Fernseher“, sagt Sarah Voice. „Wenn Sie kurzsichtig sind, würden Sie in jedem Fall ihre Brille aufsetzen, bevor sie ihre Lieblingsserie ansehen.“Die Entwicklerin hält allerdings Kopfhörer in der Hand: Eine Art Brille für die Ohren bietet das Start-up-Projekt MiMi, das sie mitbegründet hat. Es verspricht, Musik individuell den Bedürfnissen seiner Nutzer anzupassen. Über Kopfhörer, die ein großer Hersteller mittlerweile in Kooperation mit MiMi entworfen hat, oder über eine Gratis-App auf dem Smartphone. Grundlage sei ein Algorithmus, der nach einem ausgiebigen Hörtest beim Abspielen von Musik jene Frequenzen ausgleicht, bei denen der jeweilige Hörer Schwächen aufweist.
So konkret greifbar können mögliche Zukunftsvisionen im Hauptteil der Konferenz kaum werden. Parallel zu den Präsentationen der Aussteller wird im Solitär des Mozarteums über weiter entfernte Szenarien diskutiert. Wird die Technologie der Blockchain, die auch Kryptowährungen wie Bitcoin zugrunde liegt, bald die Musikindustrie revolutionieren? Das Prinzip, bei dem Lizenzen, Geldflüsse und Vertragsdetails transparent und sicher in einer Datenkette festgeschrieben sind, könnte die Beziehung zwischen Künstlern und Käufern vereinfachen und mehr Verteilungsgerechtigkeit bringen.
Die Debatten der hochhochkarätig besetzten Runde mit Blockchain-Profis, Juristen und Startup-Experten zeigt: Was auf den ersten Blick wie ein offenes Feld der unbegrenzten Möglichkeiten aussieht, ist bei näherer Betrachtung noch ein Dickicht aus ungelösten Fragen. Fest stehe nur eines, sagte Martin Brem von Red Bull Music: Die Musikindustrie erlebe aktuell eine wirklich aufregende Zeit.