Steven Spielbergs klirrend Kalter Krieg
Angesichts der Tatsache, dass es große Filme zwangsläufig nur einmal gibt, ist man manchmal froh, auch einen kleinen Verwandten von cineastischen Epen kennenlernen zu dürfen. Denn eines ist sicher: Steven Spielberg hat mit „Bridge of Spies“einen geerdeten Spionagethriller nach einem Drehbuch der Coen-Brüder angeliefert, der sich mit John le Carrés Stoffen vergleichen kann. Zudem schildert er einen wahren Gefangenenaustausch zur Zeit des Höhepunkts des Kalten Krieges – und die besten Geschichten erzählt bekanntlich das Leben.
Parallelen zum Carré-Klassiker „Der Spion, der aus der Kälte kam“gibt es nicht viele, allerdings erlauben die Raffinesse der Handlung, der karge dramaturgische Stil, die manchmal schwindelerregende Optik und der Schauplatz Ost-Berlin manche Anspielungen. Zudem wird die Mauer-Schlussszene in Martin Ritts „Spion“-Verfilmung aus 1966 gleich zwei Mal zitiert.
Aber auch Freunde des Starkinos werden am Sonntag am Hauptabend in ORF eins angesprochen. Denn „Bridge of Spies – Der Unterhändler“zeigt wieder einmal Tom Hanks, 61, unter Spielbergs Regie (aktueller Film der beiden im Kino: „Die Verlegerin“). Hier als unterschätzter,
Gegenspieler werden beinahe zu Verbündeten
unscheinbarer Anwalt Donovan. Sein Klient und nüchtern gesehen Gegenspieler, der sowjetische Spion Abel, wird ebenso trefflich vom Briten Mark Rylance, 58, verkörpert (Nebenrollen-Oscar für seine Performance).
Frauen haben mit dem Kern des Geschehens zwar nichts zu tun, aber die vielen gelungenen Nebenstränge zeigen am Schluss auch die stolzerfüllte Amy Ryan als Frau von Hanks, den sie als simplen Anwalt wähnt. Doch Donovan erhält den Alibi-Auftrag, den ertappten Spion Abel vor Gericht seriös und nach außen hin fair zu verteidigen. Nicht nur die Öffentlichkeit fordert für Abel jedoch den elektrischen Stuhl. Aber Donovan denkt weiter: Abel, den er persönlich zu schätzen lernt, könnte einst wichtiger Teil eines Gefangenenaustauschs werden.
Die Rettung Abels vor der Hinrichtung ist nur der erste Streich. Nach dem Austausch Abels mit dem abgeschossenen U2-Spionagepiloten Gary Powers werden andere Heldentaten von Donovan im Abspann erwähnt.
Wirklich ärgerlich ist nur der aufgesetzte USamerikanische, von Hollywood verordnete Pathos und Patriotismus, dem sich offensichtlich nicht einmal ein Spielberg widersetzen kann. Ansonsten sind „Bridge of Spies“zwei Stunden erlesenes Spannungskino, das sich nach scheinbar trägem Beginn fulminant entfaltet.