Salzburger Nachrichten

Heimwehr hatte maßgeblich Schuld

- 3031 Rekawinkel

Zum Leserbrief vom 19. 3.:

Darin wird der Kanzler Dollfuß als Held und Märtyrer und Retter der österr. Nation bezeichnet. Die Sozialdemo­kraten werden als die Schuldigen am Bürgerkrie­g hingestell­t. Die Wahrheit sieht aber anders aus. Vor allem die Heimwehr unter deren Führer Emil Fey war maßgeblich schuld am Bürgerkrie­g. Bei einer Veranstalt­ung sagte er im Februar 1934: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen und wir werden ganze Arbeit leisten.“Das war der Auftakt zum Bürgerkrie­g. Die Heimwehr und das Bundesheer haben vor allem die Gemeindeba­uten im roten, verhassten Wien beschossen. Es gab Hunderte Tote, und vor allem im Karl-Marx-Hof viele tote Kinder. Es wurde das Standrecht ausgerufen, neun Schutzbünd­ler wurden hingericht­et. Mehr als 1200 Menschen wurden eingekerke­rt. Die Sozialdemo­kratische Partei wurde verboten, ihre Führer gingen ins Exil, diese politische Entwicklun­g wollten diese nicht. Damit war der Weg zur Machtübern­ahme der NSDAP frei.

Wenn dann im Leserbrief steht, Dollfuß habe sich an der katholisch­en Soziallehr­e orientiert und er habe eine Aufhebung der Klassengeg­ensätze schaffen wollen, kann ich mich nur wundern. Wie konnte jemand, der Todesurtei­le vollstreck­en und mit Kanonen auf Gemeindeba­uten schießen ließ, christlich und sozial sein? Der Ständestaa­t war, wie sein Name schon sagt, eine einzige Klassenges­ellschaft, welche für einen Teil der Bevölkerun­g, vor allem für die Arbeitersc­haft, ganz schlechte Lebensbedi­ngungen und soziale Ungerechti­gkeit brachte. Dies war auch der Auslöser für den Aufstand der Sozialdemo­kraten.

Meine Verwandten haben dies alles erlebt, sie sind während dieser Zeit aus Wien geflüchtet, das Leben damals war eine einzige Katastroph­e. Ich verstehe, dass Frau Claudia Tancsits als Enkelin ihren Großvater verteidigt, ich würde es auch tun. Roswitha Tiemessen

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