Wie das neue Weinjahr beginnt
Bereits im Winter setzen die Winzer mit dem Rebschnitt die erste Maßnahme. Bis zur Traubenblüte müssen sie allerhand erledigen, um den Weingarten optimal auf die Reifezeit vorzubereiten.
AAnfang dieser Woche war Judith Beck in Düsseldorf. Die alljährlich stattfindende Weinmesse Prowein gilt als die wichtigste im deutschsprachigen Raum und ist für die burgenländische Winzerin daher ein Fixpunkt in ihrem Jahreskalender. Hier treffen Winzer, Weinhändler, Sommeliers und Weininteressierte aus Europa und Übersee aufeinander, um die aktuellen Trends der Szene zu beobachten und Weine zu ordern. Präsentationen wie diese bestimmen die Arbeit der meisten Winzer im Frühjahr wesentlich. Die ersten Weine des neuen Jahrgangs sind in Flaschen abgefüllt. Und die sollen natürlich hergezeigt werden. Für einige Betriebe geht es nach der Messe in Düsseldorf auf die Vinitaly nach Verona, dann nach Prag, Singapur und Hongkong. Die Österreich Wein Marketing organisiert rund um die Welt Verkostungen, um Weinbauern beim Export zu unterstützen. Ein weiterer Höhepunkt findet dieses Jahr von 9. bis 11. Juni mit der Vievinum in der Wiener Hofburg statt.
Bis dahin investieren die Winzer noch enorm viel Arbeit, vor allem in ihre Weingärten. Diese beginnt bereits im Winter mit dem Rebschnitt. Dabei wird die Saftruhe des Stockes genutzt. Judith Beck aus Gols startete mit ihrem Team bereits Ende Dezember in das neue Weinjahr. Sie schnitten bis Februar jede einzelne Rebe in Form. In den Beck’schen Weingärten wird nach der Guyot-Methode erzogen. Dafür wird das einjährige Holz vom Vorjahr weggeschnitten (siehe Foto). Lediglich ein Strecker bleibt, der dann in der Folge auf den Drahtrahmen in einem Bogen angebunden wird. An diesem Bogen sitzen die Augen, aus denen sich die Triebe entwickeln und wo im Laufe der Zeit die Trauben ansetzen. Der Austrieb erfolgt, je nach Witterung, in der Regel Ende April. Vorher bemerkt man an den Schnittstellen der Rebstöcke, dass Saft austritt. Die Witterung in den folgenden zwei bis drei Wochen ist heikel. Besonders 2016 und auch 2017 hatten die heimischen Winzer große Probleme durch den Spätfrost, der große Teile der Ernte schon zu Beginn des Weinjahres zunichte machte.
„Während des Rebschnittes beschäftigen wir uns schon viel mit dem neuen Vegetationsjahr und dem notwendigen Pflanzenschutz“, sagt Beck. Die Winzerin bewirtschaftet ihre Flächen seit einigen Jahren biodynamisch nach den Lehren von Rudolf Steiner und setzt auf die Unterstützung von pflanzlichen Präparaten. Bereits zum ersten Vollmond zu Ostern wird die Erde mit einem Aufguss aus Ackerschachtelhalm besprüht. Das siliziumreiche Kraut wirkt abtrocknend und hilft Pilze im Boden zu halten, sodass sie nicht in die Rebzeilen aufsteigen. „Wir verwenden verschiedene Kräuter zur Stärkung der Pflanzen, teilweise auch in Mischungen“, erklärt Beck. Kamille wirkt besonders dann beruhigend, wenn der Stock Stress hat, wie nach einem Hagelschlag oder bei großer Hitze. Brennnessel aktiviert und hilft bei Trockenheit, Ysop ist ein allgemeines Stärkungsmittel und die Schafgarbe aktiviert den Rebstock durch ihren natürlichen Schwefelgehalt vorbeugend gegen Oidium, den Echten Mehltau. „Über die Jahre haben wir bemerkt, dass unsere Weingärten nicht mehr so empfindlich sind wie früher. Sie sind stärker und können sich viel besser gegen Pilze und Schädlinge zur Wehr setzen“, sagt Beck.
Auch Christian Mrozowski, Winzer in Hohenruppersdorf im Weinviertel, arbeitet biologisch. Er verfolgt dabei die organisch-biologische Wirtschaftsweise, die im Vergleich zur Biodynamik mehr auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse aufbaut. Bereits als Mrozowski 2003 den ersten kleinen Weingarten pachten konnte, war Bio sein wichtigstes Leitmotiv. Der Wein-Quereinsteiger Mrozowski wuchs zwar auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, allerdings ohne Weinbau auf. In seiner früheren Karriere war er aber gefragter Society- und Sportfotograf und Fotochef des „Sportmagazins“. Heute erzeugt er rund 30.000 Flaschen Wein pro Jahr. Und die sind immer schnell ausverkauft. Seine Fangemeinde hat er vor allem in Österreich. Vom Restaurant Obauer in Werfen über den Döllerer in Golling bis zum Hotel Sacher in Salzburg sind seine Veltliner, Burgunder und Welschrieslinge vertreten. Nicht ohne Stolz erzählt er, dass sein Grüner Veltliner mittlerweile auch in Amerika getrunken werde. „Ich hätte nie gedacht, dass mein Wein jemals auf den bekannten Weinkarten in New York gelistet wird. Seit einiger Zeit wird er auch im kalifornischen Weineldorado Napa Valley getrunken. Das ist schon eine Ehre“, sagt Mrozowski. Wahrscheinlich ist es die Unbefangenheit und Ehrlichkeit, die aus jedem Glas strahlt, wenn einer seiner Tropfen eingeschenkt wird. Außerdem lässt der Winzer den Weinen die Zeit, die sie brauchen. Er presst sie nicht auf den Markt, auch wenn der vorangegangene Jahrgang ausverkauft ist. Aktuell wird der Grüne Veltliner vom Matzner Hügel aus dem Jahr 2016 abgefüllt. Aus 2017 gibt es jetzt schon den Rosé. Ein fröhlicher und unkomplizierter Wein für die kommende warme Saison, der dabei auch Charakter und Ausdruck hat. „Ich will charmante und reintönige Weine machen, die vor allem auch gute Essensbegleiter sind“, sagt der Winzer.
Mrozowski fährt wenig auf Weinmessen. Dafür habe er einfach zu wenig Menge im Keller. Er setzt auf Mundpropaganda – dass sich so seine hohe Qualität herumspricht. Im Weingarten ist ihm das leider oft strapazierte Wort Nachhaltigkeit sehr wichtig. Er bemängelt, dass man zu wenige gute, ökologische Arbeitsmaterialien zum bezahlbaren Preis bekomme. Ideal wären jene aus nachwachsenden Ressourcen. Außerdem hadert er damit, dass man im Frühjahr kein Fenchelöl mehr im Weingarten spritzen dürfe, um Oidium von den Pflanzen fernzuhalten. Das half den Stöcken immer sehr gut. Seine Wirksamkeit konnte aber nicht bewiesen werden, die Lobby war nicht groß genug. Somit wurde das Öl aus der Liste der erlaubten Hilfsmittel im Weingarten gestrichen. In der Vorblüte verwendet Mrozowski einen Mix aus Schwefel und Rapsöl, um der Kräuselmilbe entgegenzuwirken.
Neben den vielfältigen Arbeiten im Weingarten wie Rebschnitt, Binden und Pflege der Triebe im Frühjahr verwendet der Neo-Winzer auch viel Zeit für das Bodenmanagement. Die Gegend im Weinviertel, wo seine Stöcke stehen, gilt als sehr trocken. Hier muss er die richtige Balance von Begrünung und offenem Boden unter den Stöcken finden. Enorme Wichtigkeit hat für ihn auch Pflege der Jungweine. Einmal in der Woche rührt er die Hefe im Fass auf. Seine Weine aus 2017 wurden Mitte März erstmals sanft geschwefelt. Danach folgte eine Schönung mit Bentonit, um sie stabil zu machen, bevor filtriert und abgefüllt wird. Nun kann die weitere Reise beginnen: für den Wein zum Kunden und für den Winzer als Begleiter der Reben über den Sommer bis in den Herbst zur Zeit der Ernte.