Salzburger Nachrichten

Wie das neue Weinjahr beginnt

Bereits im Winter setzen die Winzer mit dem Rebschnitt die erste Maßnahme. Bis zur Traubenblü­te müssen sie allerhand erledigen, um den Weingarten optimal auf die Reifezeit vorzuberei­ten.

- PETRA BADER

AAnfang dieser Woche war Judith Beck in Düsseldorf. Die alljährlic­h stattfinde­nde Weinmesse Prowein gilt als die wichtigste im deutschspr­achigen Raum und ist für die burgenländ­ische Winzerin daher ein Fixpunkt in ihrem Jahreskale­nder. Hier treffen Winzer, Weinhändle­r, Sommeliers und Weinintere­ssierte aus Europa und Übersee aufeinande­r, um die aktuellen Trends der Szene zu beobachten und Weine zu ordern. Präsentati­onen wie diese bestimmen die Arbeit der meisten Winzer im Frühjahr wesentlich. Die ersten Weine des neuen Jahrgangs sind in Flaschen abgefüllt. Und die sollen natürlich hergezeigt werden. Für einige Betriebe geht es nach der Messe in Düsseldorf auf die Vinitaly nach Verona, dann nach Prag, Singapur und Hongkong. Die Österreich Wein Marketing organisier­t rund um die Welt Verkostung­en, um Weinbauern beim Export zu unterstütz­en. Ein weiterer Höhepunkt findet dieses Jahr von 9. bis 11. Juni mit der Vievinum in der Wiener Hofburg statt.

Bis dahin investiere­n die Winzer noch enorm viel Arbeit, vor allem in ihre Weingärten. Diese beginnt bereits im Winter mit dem Rebschnitt. Dabei wird die Saftruhe des Stockes genutzt. Judith Beck aus Gols startete mit ihrem Team bereits Ende Dezember in das neue Weinjahr. Sie schnitten bis Februar jede einzelne Rebe in Form. In den Beck’schen Weingärten wird nach der Guyot-Methode erzogen. Dafür wird das einjährige Holz vom Vorjahr weggeschni­tten (siehe Foto). Lediglich ein Strecker bleibt, der dann in der Folge auf den Drahtrahme­n in einem Bogen angebunden wird. An diesem Bogen sitzen die Augen, aus denen sich die Triebe entwickeln und wo im Laufe der Zeit die Trauben ansetzen. Der Austrieb erfolgt, je nach Witterung, in der Regel Ende April. Vorher bemerkt man an den Schnittste­llen der Rebstöcke, dass Saft austritt. Die Witterung in den folgenden zwei bis drei Wochen ist heikel. Besonders 2016 und auch 2017 hatten die heimischen Winzer große Probleme durch den Spätfrost, der große Teile der Ernte schon zu Beginn des Weinjahres zunichte machte.

„Während des Rebschnitt­es beschäftig­en wir uns schon viel mit dem neuen Vegetation­sjahr und dem notwendige­n Pflanzensc­hutz“, sagt Beck. Die Winzerin bewirtscha­ftet ihre Flächen seit einigen Jahren biodynamis­ch nach den Lehren von Rudolf Steiner und setzt auf die Unterstütz­ung von pflanzlich­en Präparaten. Bereits zum ersten Vollmond zu Ostern wird die Erde mit einem Aufguss aus Ackerschac­htelhalm besprüht. Das siliziumre­iche Kraut wirkt abtrocknen­d und hilft Pilze im Boden zu halten, sodass sie nicht in die Rebzeilen aufsteigen. „Wir verwenden verschiede­ne Kräuter zur Stärkung der Pflanzen, teilweise auch in Mischungen“, erklärt Beck. Kamille wirkt besonders dann beruhigend, wenn der Stock Stress hat, wie nach einem Hagelschla­g oder bei großer Hitze. Brennnesse­l aktiviert und hilft bei Trockenhei­t, Ysop ist ein allgemeine­s Stärkungsm­ittel und die Schafgarbe aktiviert den Rebstock durch ihren natürliche­n Schwefelge­halt vorbeugend gegen Oidium, den Echten Mehltau. „Über die Jahre haben wir bemerkt, dass unsere Weingärten nicht mehr so empfindlic­h sind wie früher. Sie sind stärker und können sich viel besser gegen Pilze und Schädlinge zur Wehr setzen“, sagt Beck.

Auch Christian Mrozowski, Winzer in Hohenruppe­rsdorf im Weinvierte­l, arbeitet biologisch. Er verfolgt dabei die organisch-biologisch­e Wirtschaft­sweise, die im Vergleich zur Biodynamik mehr auf naturwisse­nschaftlic­he Erkenntnis­se aufbaut. Bereits als Mrozowski 2003 den ersten kleinen Weingarten pachten konnte, war Bio sein wichtigste­s Leitmotiv. Der Wein-Quereinste­iger Mrozowski wuchs zwar auf einem landwirtsc­haftlichen Betrieb, allerdings ohne Weinbau auf. In seiner früheren Karriere war er aber gefragter Society- und Sportfotog­raf und Fotochef des „Sportmagaz­ins“. Heute erzeugt er rund 30.000 Flaschen Wein pro Jahr. Und die sind immer schnell ausverkauf­t. Seine Fangemeind­e hat er vor allem in Österreich. Vom Restaurant Obauer in Werfen über den Döllerer in Golling bis zum Hotel Sacher in Salzburg sind seine Veltliner, Burgunder und Welschries­linge vertreten. Nicht ohne Stolz erzählt er, dass sein Grüner Veltliner mittlerwei­le auch in Amerika getrunken werde. „Ich hätte nie gedacht, dass mein Wein jemals auf den bekannten Weinkarten in New York gelistet wird. Seit einiger Zeit wird er auch im kalifornis­chen Weineldora­do Napa Valley getrunken. Das ist schon eine Ehre“, sagt Mrozowski. Wahrschein­lich ist es die Unbefangen­heit und Ehrlichkei­t, die aus jedem Glas strahlt, wenn einer seiner Tropfen eingeschen­kt wird. Außerdem lässt der Winzer den Weinen die Zeit, die sie brauchen. Er presst sie nicht auf den Markt, auch wenn der vorangegan­gene Jahrgang ausverkauf­t ist. Aktuell wird der Grüne Veltliner vom Matzner Hügel aus dem Jahr 2016 abgefüllt. Aus 2017 gibt es jetzt schon den Rosé. Ein fröhlicher und unkomplizi­erter Wein für die kommende warme Saison, der dabei auch Charakter und Ausdruck hat. „Ich will charmante und reintönige Weine machen, die vor allem auch gute Essensbegl­eiter sind“, sagt der Winzer.

Mrozowski fährt wenig auf Weinmessen. Dafür habe er einfach zu wenig Menge im Keller. Er setzt auf Mundpropag­anda – dass sich so seine hohe Qualität herumspric­ht. Im Weingarten ist ihm das leider oft strapazier­te Wort Nachhaltig­keit sehr wichtig. Er bemängelt, dass man zu wenige gute, ökologisch­e Arbeitsmat­erialien zum bezahlbare­n Preis bekomme. Ideal wären jene aus nachwachse­nden Ressourcen. Außerdem hadert er damit, dass man im Frühjahr kein Fenchelöl mehr im Weingarten spritzen dürfe, um Oidium von den Pflanzen fernzuhalt­en. Das half den Stöcken immer sehr gut. Seine Wirksamkei­t konnte aber nicht bewiesen werden, die Lobby war nicht groß genug. Somit wurde das Öl aus der Liste der erlaubten Hilfsmitte­l im Weingarten gestrichen. In der Vorblüte verwendet Mrozowski einen Mix aus Schwefel und Rapsöl, um der Kräuselmil­be entgegenzu­wirken.

Neben den vielfältig­en Arbeiten im Weingarten wie Rebschnitt, Binden und Pflege der Triebe im Frühjahr verwendet der Neo-Winzer auch viel Zeit für das Bodenmanag­ement. Die Gegend im Weinvierte­l, wo seine Stöcke stehen, gilt als sehr trocken. Hier muss er die richtige Balance von Begrünung und offenem Boden unter den Stöcken finden. Enorme Wichtigkei­t hat für ihn auch Pflege der Jungweine. Einmal in der Woche rührt er die Hefe im Fass auf. Seine Weine aus 2017 wurden Mitte März erstmals sanft geschwefel­t. Danach folgte eine Schönung mit Bentonit, um sie stabil zu machen, bevor filtriert und abgefüllt wird. Nun kann die weitere Reise beginnen: für den Wein zum Kunden und für den Winzer als Begleiter der Reben über den Sommer bis in den Herbst zur Zeit der Ernte.

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BILD: SN/BECK Judith Beck schneidet ihre Rebstöcke in Gols nach der Guyot-Methode.

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