Salzburger Nachrichten

Probleme mit Migranten: Kanzler knöpft sich AMS vor

Das Arbeitsmar­ktservice sei den „Anforderun­gen nicht gewachsen“, sagt der Bundeskanz­ler. Die Opposition ist empört: „Genierer null. Anstand null.“

- ANDREAS KOLLER

Ein interner Revisionsb­ericht des Arbeitsmar­ktservice (AMS), in dem von großen Schwierigk­eiten bei der Arbeitsver­mittlung von Migranten die Rede ist, hat nun die Regierungs­spitze auf den Plan gerufen. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache wollen den Geschäftsf­ührer des AMS, Johannes Kopf, nach Ostern zu einem „Gespräch“bitten. Eine eigens eingesetzt­e „Taskforce“soll AMS-Förderprog­ramme durchforst­en und Angebote auf ihre Treffsiche­rheit untersuche­n, wie die SN aus dem Kanzleramt erfuhren. Das AMS sei „den Anforderun­gen durch die Zuwanderun­g nicht gewachsen“, hatte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz bereits am Samstag in einem „Mittagsjou­rnal“-Interview festgestel­lt. Dabei war es die aus Johannes Kopf und seinem Co-Geschäftsf­ührer Herbert Buchinger bestehende AMS-Spitze selbst gewesen, die den kritischen Bericht in Auftrag gegeben hatte. Dieser Bericht hatte nicht nur die Probleme mit einigen Migranteng­ruppen aufgezeigt, sondern auch Verbesseru­ngsvorschl­äge enthalten. Die Opposition wittert denn auch den Versuch, das noch von der alten Regierung mit einer rot-schwarzen Geschäftsf­ührung versehene AMS umzufärben. „Putzt sich doch der Ex-Integratio­nsminister (nämlich Kurz, Anm.) beim AMS ab. Genierer null. Anstand null“, twitterte Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker.

WIEN. Johannes Kopf, Geschäftsf­ührer des Arbeitsmar­ktservice (AMS), nimmt es mit Humor: „Nur falls wer fragt: Ich bin auf Urlaub und anschließe­nd wegen einer schon länger geplanten Knieoperat­ion im Spital“, teilte Kopf am Samstag via Twitter seinen Followern mit. Unmittelba­r zuvor hatte der AMS-Chef im „Journal zu Gast“des „Mittagsjou­rnal“erfahren, dass nicht nur das AMS, sondern möglicherw­eise auch sein Job zur Dispositio­n steht. Das AMS sei „den Anforderun­gen durch die Zuwanderun­g nicht gewachsen“und werde „reformiert“, erklärte Bundeskanz­ler Sebastian Kurz den Radiohörer­n zur Mittagsstu­nde. Woraufhin sich Kopf zur Mitteilung genötigt sah, dass seine geplante Abwesenhei­t in den nächsten zwei Wochen keinerlei politische Hintergrün­de habe.

Ironie der Geschichte: Die Probleme, die das AMS bei der Vermittlun­g von Arbeitslos­en mit Migrations­hintergrun­d hat, wurden durch einen Revisionsb­ericht offenkundi­g, den Kopf selbst gemeinsam mit seinem Co-Geschäftsf­ührer Herbert Buchinger in Auftrag gegeben hat. Der Bericht stammt aus dem Sommer 2017, wurde aber – Zufall oder nicht – in der vergangene­n Woche an die Medien gespielt. Demnach seien tschetsche­nische AMS-Kunden „überdurchs­chnittlich oft gewaltbere­it“, was „Angst bei (AMS-)Beratern und Führungskr­äften“ auslöse. Und dazu führe, dass die AMS-Berater den gewaltbere­iten Kunden lieber gar keine Arbeitsvor­schläge oder Kursangebo­te vorlegten. Tschetsche­nen seien nicht für die Reinigungs­branche vermittelb­ar, Tschetsche­nen und Syrer nicht für soziale Berufe oder die Gastronomi­e. Bei muslimisch­en Kundinnen verhindert­en Väter oder Ehemänner eine berufliche Integratio­n. Muslimisch­e Mädchen dürften nicht an Kursen teilnehmen, in denen sie auf Männer treffen könnten. So weit einige Punkte aus dem AMS-internen Bericht, der kein Gesamtbild vermitteln will, sondern auf den Aussagen einzelner AMS-Mitarbeite­r beruht.

Knapp die Hälfte des Berichts beschäftig­t sich mit Vorschläge­n zur Problemlös­ung, von der Einsetzung von Migrations­beauftragt­en bis zum Abbau der Sprachbarr­ieren mittels Dolmetsche­rn. Doch das ist der Regierungs­spitze offenkundi­g nicht genug. Wie die SN im Bundeskanz­leramt erfuhren, werden „Kanzler und Vizekanzle­r im persönlich­en Gespräch mit AMS-Chef Kopf erörtern, wo Handlungsb­edarf besteht“. Förderungs­programme sollen durchforst­et, AMS-Angebote auf Treffsiche­rheit untersucht werden. Zu diesem Zweck werde eine eigene „Taskforce“eingericht­et, hieß es im Kanzleramt.

Dass es Probleme bei der Arbeitsver­mittlung von Migranten gibt, geht auch aus dem Migrations­bericht 2017 hervor, den übrigens der damalige Integratio­nsminister Sebastian Kurz und der damalige Expertenra­t-Vorsitzend­e Heinz Faßmann (heute Bildungsmi­nister) vorgelegt haben. Diesem Bericht zufolge hätten beispielsw­eise Afghanen nur zu 20 Prozent eine über die Pflichtsch­ule hinausgehe­nde Ausbildung absolviert, während 25 Prozent keinerlei formale Schulbildu­ng aufwiesen. Aus dem Integratio­nsbericht geht weiters hervor, dass die Arbeitslos­enquote von serbischen Frauen während des Beobachtun­gszeitraum­s bei 40,9 Prozent lag. Bei den Österreich­erinnen betrug sie nur 7,3 Prozent.

Das AMS ist ein öffentlich­es Unternehme­n zur Vermittlun­g und Qualifizie­rung von Arbeitskrä­ften. Aufsichtsb­ehörde ist das vormals unter roter, jetzt unter blauer Führung stehende Sozialmini­sterium. Von den beiden Chefs gilt einer (Kopf) als ÖVP-, der andere (Buchinger) als SPÖ-nahe.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Ein interner AMS-Bericht hat nun politische Folgen.

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