Probleme mit Migranten: Kanzler knöpft sich AMS vor
Das Arbeitsmarktservice sei den „Anforderungen nicht gewachsen“, sagt der Bundeskanzler. Die Opposition ist empört: „Genierer null. Anstand null.“
Ein interner Revisionsbericht des Arbeitsmarktservice (AMS), in dem von großen Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung von Migranten die Rede ist, hat nun die Regierungsspitze auf den Plan gerufen. Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache wollen den Geschäftsführer des AMS, Johannes Kopf, nach Ostern zu einem „Gespräch“bitten. Eine eigens eingesetzte „Taskforce“soll AMS-Förderprogramme durchforsten und Angebote auf ihre Treffsicherheit untersuchen, wie die SN aus dem Kanzleramt erfuhren. Das AMS sei „den Anforderungen durch die Zuwanderung nicht gewachsen“, hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz bereits am Samstag in einem „Mittagsjournal“-Interview festgestellt. Dabei war es die aus Johannes Kopf und seinem Co-Geschäftsführer Herbert Buchinger bestehende AMS-Spitze selbst gewesen, die den kritischen Bericht in Auftrag gegeben hatte. Dieser Bericht hatte nicht nur die Probleme mit einigen Migrantengruppen aufgezeigt, sondern auch Verbesserungsvorschläge enthalten. Die Opposition wittert denn auch den Versuch, das noch von der alten Regierung mit einer rot-schwarzen Geschäftsführung versehene AMS umzufärben. „Putzt sich doch der Ex-Integrationsminister (nämlich Kurz, Anm.) beim AMS ab. Genierer null. Anstand null“, twitterte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.
WIEN. Johannes Kopf, Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS), nimmt es mit Humor: „Nur falls wer fragt: Ich bin auf Urlaub und anschließend wegen einer schon länger geplanten Knieoperation im Spital“, teilte Kopf am Samstag via Twitter seinen Followern mit. Unmittelbar zuvor hatte der AMS-Chef im „Journal zu Gast“des „Mittagsjournal“erfahren, dass nicht nur das AMS, sondern möglicherweise auch sein Job zur Disposition steht. Das AMS sei „den Anforderungen durch die Zuwanderung nicht gewachsen“und werde „reformiert“, erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz den Radiohörern zur Mittagsstunde. Woraufhin sich Kopf zur Mitteilung genötigt sah, dass seine geplante Abwesenheit in den nächsten zwei Wochen keinerlei politische Hintergründe habe.
Ironie der Geschichte: Die Probleme, die das AMS bei der Vermittlung von Arbeitslosen mit Migrationshintergrund hat, wurden durch einen Revisionsbericht offenkundig, den Kopf selbst gemeinsam mit seinem Co-Geschäftsführer Herbert Buchinger in Auftrag gegeben hat. Der Bericht stammt aus dem Sommer 2017, wurde aber – Zufall oder nicht – in der vergangenen Woche an die Medien gespielt. Demnach seien tschetschenische AMS-Kunden „überdurchschnittlich oft gewaltbereit“, was „Angst bei (AMS-)Beratern und Führungskräften“ auslöse. Und dazu führe, dass die AMS-Berater den gewaltbereiten Kunden lieber gar keine Arbeitsvorschläge oder Kursangebote vorlegten. Tschetschenen seien nicht für die Reinigungsbranche vermittelbar, Tschetschenen und Syrer nicht für soziale Berufe oder die Gastronomie. Bei muslimischen Kundinnen verhinderten Väter oder Ehemänner eine berufliche Integration. Muslimische Mädchen dürften nicht an Kursen teilnehmen, in denen sie auf Männer treffen könnten. So weit einige Punkte aus dem AMS-internen Bericht, der kein Gesamtbild vermitteln will, sondern auf den Aussagen einzelner AMS-Mitarbeiter beruht.
Knapp die Hälfte des Berichts beschäftigt sich mit Vorschlägen zur Problemlösung, von der Einsetzung von Migrationsbeauftragten bis zum Abbau der Sprachbarrieren mittels Dolmetschern. Doch das ist der Regierungsspitze offenkundig nicht genug. Wie die SN im Bundeskanzleramt erfuhren, werden „Kanzler und Vizekanzler im persönlichen Gespräch mit AMS-Chef Kopf erörtern, wo Handlungsbedarf besteht“. Förderungsprogramme sollen durchforstet, AMS-Angebote auf Treffsicherheit untersucht werden. Zu diesem Zweck werde eine eigene „Taskforce“eingerichtet, hieß es im Kanzleramt.
Dass es Probleme bei der Arbeitsvermittlung von Migranten gibt, geht auch aus dem Migrationsbericht 2017 hervor, den übrigens der damalige Integrationsminister Sebastian Kurz und der damalige Expertenrat-Vorsitzende Heinz Faßmann (heute Bildungsminister) vorgelegt haben. Diesem Bericht zufolge hätten beispielsweise Afghanen nur zu 20 Prozent eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung absolviert, während 25 Prozent keinerlei formale Schulbildung aufwiesen. Aus dem Integrationsbericht geht weiters hervor, dass die Arbeitslosenquote von serbischen Frauen während des Beobachtungszeitraums bei 40,9 Prozent lag. Bei den Österreicherinnen betrug sie nur 7,3 Prozent.
Das AMS ist ein öffentliches Unternehmen zur Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitskräften. Aufsichtsbehörde ist das vormals unter roter, jetzt unter blauer Führung stehende Sozialministerium. Von den beiden Chefs gilt einer (Kopf) als ÖVP-, der andere (Buchinger) als SPÖ-nahe.