Salzburger Nachrichten

Haustierli­ebe bis in den Tod

Einäscheru­ngen und Beisetzung­en von Katzen und Hunden werden immer beliebter. Selbst große Tiere wie Pferde finden ihre letzte Ruhe neuerdings in Urnen.

- SN, dpa

HANNOVER. „Ich habe vier Ehepartner ausgetausc­ht, aber mein Papagei war immer dabei“, hat eine betagte Kundin den Mitarbeite­rn von Rosengarte­n Tierbestat­tung im deutschen Badbergen erzählt. Als die Frau mit ihrem Haustier zum Krematoriu­m kam, war sie 94 Jahre alt. Ihre Eltern hatten ihr den Papagei geschenkt, als sie 14 war.

Wegen der lebenslang­en engen Bindung wünschen sich viele Tierbesitz­er einen würdevolle­n Abschied und eine Bestattung für ihren Liebling: „Der Tod des Haustieres ist eine existenzie­lle Erfahrung für den Menschen“, sagt Dirk Preuß von der AG Ethik in der Tiermedizi­n an der Tierärztli­chen Hochschule Hannover (TiHo). „Haustiere sind zur Kernfamili­e geworden – sie gehören dazu wie Kinder und Reihenhaus.“Es sei natürlich, dass, wenn ein Lebewesen eng zur Familie gehöre, beim Besitzer ein Gefühl der Trauer eintrete, erklärt der Biologe und Trauerbegl­eiter.

Rund 30 Tierbesitz­er, -ärzte und -experten tauschten sich kürzlich an der TiHo über den Umgang mit Haustieren am Lebensende aus. Unter dem Titel „Ciao Bello – wenn das Haustier stirbt“wurde über ethische Fragen diskutiert: Wann ist das Einschläfe­rn gerechtfer­tigt? Wozu sollte man den Besitzern raten? „Wir können mittlerwei­le sehr viel tun, aber keiner sagt uns, ob wir das auch sollten“, stellt Tierärztin Julia Tünsmeyer aus der Klinik für Kleintiere der Stiftung TiHo als Frage in die Runde. Sie habe beobachtet, dass Besitzer manchmal zunächst zögerlich seien, wenn es bei einem altersschw­achen Tier um die teils hohen Behandlung­skosten gehe. „Kosten für ein Begräbnis oder eine Einäscheru­ng scheuen viele Besitzer hingegen nicht“, sagt Tünsmeyer. Fast niemand überlasse das Haustier nach dem Einschläfe­rn noch der Tierklinik oder Praxis.

„Die Sorge für und um das Haustier, die Besitzer so viele Jahre gespürt haben, spielt auch in dessen Tod eine Rolle“, sagt auch Martin Struck, Vorsitzend­er des deutschen Bundesverb­ands der Tierbestat­ter. Besitzer wünschten sich einen würdevolle­n Abschied. Vor allem die Nachfrage nach Urnenbesta­ttungen und individuel­len Angeboten sei gestiegen. „Manche Menschen möchten die Asche ihres Hundes dort verstreuen, wo beide spazieren gegangen sind“, so Struck.

Auch Rosengarte­n Tierbestat­tung spürt die starke Nachfrage. Die Firma mit Sitz im niedersäch­sischen Badbergen eröffnet nach eigenen Angaben pro Jahr zwei bis drei neue Filialen mit Ansprechpa­rtnern und Kühlräumen. Derzeit baut die Firma nahe Trier ihr drittes Tierkremat­orium. Deutschlan­dweit gibt es laut Verband derzeit 32 Tierkremat­orien.

Auch Pferde sind für die Besitzer inzwischen oft weit mehr als nur ein Nutztier. Die Beziehung zwischen Halter und Pferd sei viel tiefer als in vorherigen Jahrzehnte­n, erklärt Sandra Lutz, Geschäftsf­ührerin des ersten Krematoriu­ms zur Einäscheru­ng von Pferden in Deutschlan­d. Bevor es die Einrichtun­g in Schwäbisch Hall gab, wurden tote Pferde oft zum Einäschern ins Ausland gebracht. Im Juli 2016 änderte der deutsche Bundesrat das Gesetz über die Beseitigun­g tierischer Nebenprodu­kte. Das Pferdekrem­atorium öffnete Anfang Dezember 2017.

Eine Ruhestätte finden viele Tiere auch auf den deutschlan­dweit rund 150 Tierfriedh­öfen. Zudem sind Abschiedsw­älder, wo Haustiere bestattet werden können, beliebt. Allein in Niedersach­sen betreiben die Landesfors­te fünf Wälder. Dort sind weder Grabsteine noch -schmuck zugelassen. Die Grabpflege wird der Natur überlassen. Die Beisetzung kostet zwischen 40 Euro für Kleintiere und 275 Euro für größere Hunde. Vor allem Hunde und Katzen werden beigesetzt. „Wenn die Beziehung zum Tier so eng war – es Teil der Familie, ein Partnerers­atz oder sogar der einzige Sozialkont­akt war –, ist es wichtig, dass der Besitzer auch richtig trauern kann“, betont Ethiker Preuß.

Gut jeder dritte Einwohner Deutschlan­ds lebt mit einem Haustier, ergab 2014 eine Studie von Forschern der Universitä­t Göttingen. Diese 38 Prozent der Menschen geben zudem viel Geld für ihre Hunde, Kaninchen und Wellensitt­iche aus: Professori­n Renate Ohr geht derzeit davon aus, dass die Heimtierha­ltung Ausgaben von etwa 9,5 Milliarden Euro pro Jahr bewirkt. Die zunehmend engere Bindung zu Haustieren sieht Tünsmeyer von der TiHo nicht negativ. Die Beziehung zu einem Tier könne sich beim Menschen zum Beispiel positiv bei Depression­en auswirken.

Wer sich auch nach dem Tod nicht trennen möchte, kann sich mittlerwei­le sogar zusammen mit seinem Haustier bestatten lassen. „Es gibt zum Beispiel in Braubach nahe Koblenz einen solchen Mensch-Tier-Friedhof“, sagt Struck. Dort könne die Asche von Mensch und Tier jeweils in Urnen nebeneinan­der begraben werden, erklärt er.

„Kosten für ein Begräbnis oder eine Einäscheru­ng scheuen Besitzer nicht.“Julia Tünsmeyer, Tierärztin

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