Die Informationsfreiheit stärkt Googles Rolle
Wie die Höchstgerichte in Deutschland und Österreich entscheiden, wenn durch Suchmaschinen wie Google der Persönlichkeitsschutz bedroht wird.
Wie Google & Co. mit Daten umgehen, wird zunehmend auch zu einer Frage für die Gerichte. Sowohl die deutschen als auch die österreichischen Höchstrichter hatten dazu die Informationsfreiheit gegen den Persönlichkeitsschutz abzuwägen.
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich in seiner Entscheidung vom 27. 2. 2018 (VI ZR 489/16) mit folgender Problemstellung: Im Internet angebotene Informationen lassen sich nur auffinden, wenn der nachfragende User sich einer Suchmaschine bedient, die ihn – im Regelfall Google – auf die betreffende Website leitet. Suchmaschinen sind also unverzichtbar, selbst wenn durch sie diskreditierende oder diffamierende Behauptungen verbreitet werden. Die rechtlich spannende Frage ist nun, ob und wie weit die Betreiber von Suchmaschinen gleichsam zu „Komplizen“an der Verletzung von Persönlichkeitsrechten werden und daher verpflichtet sind, die Verlinkung zu bestimmten Seiten zu unterlassen.
Im konkreten Fall, der dem BGH vorlag, ging es darum, dass der Kläger auf diversen Internetseiten beschimpft und mit groben Vorwürfen („Schwerstkriminelle“, „krimineller Stalkerhaushalt“) konfrontiert wurde. Diese Websites waren den Usern durch die Suchmaschine Google zugänglich. Die Kläger verlangten von den Betreibern der Suchmaschine, dass die betreffenden Internetseiten nicht zu finden sind und dass ein Suchfilter eingerichtet wird.
Der BGH wies die Klage mit folgender Begründung ab: Die Inhalte von Websites, zu denen die Suchmaschine verlinkt, sind keine eigenen Inhalte des Suchmaschinenbetreibers und werden auch nicht durch die Verlinkung zu eigenen Inhalten; eine Verantwortlichkeit der Beklagten unter dem Titel eigener Inhalte scheidet daher aus.
Es kann auch keine „allgemeine Kontrollpflicht“eines Suchmaschinenbetreibers dahingehend bestehen, dass er sich vor der Verlinkung vergewissern müsste, ob der Inhalt einer Website korrekt ist. Diese Pflicht würde die Existenz des Modells „Suchmaschine“ernstlich infrage stellen; Suchmaschinen aber sind rechtlich gebilligt und gesellschaftlich erwünscht, ohne sie wäre das Internet nicht wirklich sinnvoll nutzbar.
Den Suchmaschinenbetreiber können erst dann spezifische Verhaltenspflichten treffen, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat.
Im vorliegenden Fall haben die Kläger nach Ansicht des BGH keinerlei belastbare Indizien für die Haltlosigkeit der Vorwürfe aufgezeigt, weshalb der Klage nicht stattgegeben worden ist.
Das heißt: Der Kläger, der die Löschung begehrt, muss beweisen, dass der Inhalt dieser Seiten eine „offensichtliche“und „auf den ersten Blick klar erkennbare“Verlet-
Was Sie wissen sollten
zung seines Persönlichkeitsrechts darstellt. Der bloße Umstand, dass auf den verlinkten Internetseiten unbewiesene und für den Kläger möglicherweise ruinöse Behauptungen aufgestellt werden, reicht nicht aus, dass der Suchmaschinenbetreiber verpflichtet ist, die Verlinkung zu diesen Seiten zu löschen.
Der BGH hat damit die Informationsfreiheit über den Schutz des Persönlichkeitsrechts gestellt. Dieses Ergebnis ist angesichts der Bedeutung des Internets nachvollziehbar, aber unter dem Blickwinkel des Schutzes des Individuums höchst bedenklich; es entsteht der Eindruck, dass der Mensch unter die Räder einer „als wünschenswert angesehenen technischen Entwicklung“gerät – womit außer Acht gelassen wird, dass wohl die Technik dem Menschen dienen sollte, nicht der Mensch der Technik.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich in Österreich mit einer ähnlichen Frage beschäftigt (4 OB 194/05s): Die Klägerin war die Inhaberin einer Wortmarke für ein bestimmtes Produkt. Bei Eingabe dieser Wortmarke in Google wurden unter anderem bezahlte GoogleAdWords-Inserate angezeigt, die zu Websites von Konkurrenzprodukten verlinkt waren. Die Klägerin forderte von Google, die Anzeige dieser Inserate zu unterlassen.
Der OGH sah das Unterlassungsbegehren als nicht gerechtfertigt an. Er führte aus, dass ein Suchmaschinenbetreiber nur dann für Rechtsverletzungen seiner Kunden in Anspruch genommen werden kann, wenn „die Rechtsverletzungen auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind“. Daher sei Google nicht verpflichtet, die von Werbekunden verwendeten Suchworte ohne vorherige Abmahnung auf allfällige Markenverletzungen oder Wettbewerbsverstöße zu überprüfen.
Die Frage, ob die Rechtsverletzung durch die außergerichtliche Beschwerde der Klägerin bei Google offenkundig geworden war, brauchte der OGH im gegenständlichen Verfahren nicht zu beantworten, da Google nach der Beschwerde die Verlinkungen sofort unterlassen hatte.
In Zeiten wie diesen wird oft die Gefahr ignoriert, die sich aus der Verbreitung von Fake News für Ruf und Existenz von Menschen ergibt.