„Ideen können nicht erschossen werden“
Viel ist in diesen Tagen über das dramatische Geschehen zu lesen, welches vor 80 Jahren das Schicksal Österreichs besiegelte und durch den sogenannten „Anschluss“in die Barbarei des Nationalsozialismus führte.
Es war der 13. März 1938, der durch ein eilig erlassenes Gesetz das Ende des autoritären Ständestaats und die Angliederung an Deutschland brachte. Dabei ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dass bereits 90 Jahre zuvor ein 13. März zu einem wichtigen Tag in der Geschichte Österreichs geworden war.
Schon in den frühen Morgenstunden schritten über 1000 Studenten, bald auch von Arbeitern aus den Vorstädten und Vertretern des Bürgertums unterstützt, Arm in Arm durch die Stadt und besetzten den Hof des Ständegebäudes in Wien, um ihren Forderungen nach Volksbewaffnung, Pressefreiheit, Lehrfreiheit, um nur einige zu nennen, Nachdruck zu verleihen, nachdem tags zuvor ihr Verlangen von Erzherzog Ludwig brüsk abgewiesen worden war.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an zwei Persönlichkeiten erinnern, die neben vielen anderen den Widerstand der damaligen Zeit verkörperten: Der eine war ein Priester, Dr. Anton Füster, der seit 1847 als Professor für Religion und Pädagogik an der Wiener Universität tätig war. Man verlangte zwar von ihm, auf die unruhige Studentenschaft mäßigend einzuwirken, bewirkte aber eher das Gegenteil: Der 12. März 1848 war ein Sonntag und in der Jesuitenkirche hielt er eine Kanzelrede, die die Wiener Studenten ermunterte und aufforderte, sich gegen die Obrigkeit zu wenden: „Für das Vaterland darf euch kein Opfer zu groß sein“, so steht noch heute auf seinem Grabstein der entscheidende Satz seiner Predigt. In der Heimat später in Abwesenheit zum Tode verurteilt, emigrierte er nach Amerika, von wo er gänzlich verarmt erst 1876 nach Wien zurückkehrte.
Der Zweite war Dr. Hermann Jelinek, ein jüdischer Journalist, der, ebenfalls zum Tod verurteilt, am 23. November 1848 vor dem Hinrichtungspeloton des Feldmarschalls Fürst Alfred Windischgrätz stand. Angesichts seines Todes sprach er jenen Satz aus, der noch immer Menschen ermutigt, Widerstand gegen Unfreiheit und Diktatur zu leisten: „Ideen können nicht erschossen werden.“Dr. Ernst Violand, ebenfalls zum Tod verurteilter und geflüchteter Aktivist in diesen revolutionären Tagen, schrieb 1850 das in Leipzig erschienene Buch „Die soziale Geschichte der Revolution in Österreich“, in dem es heißt: „Man ahnte im dunkeln Vorgefühl die welthistorische Bedeutung des 13. März. Mehr als ein Jahrtausend hatte ihm vorgearbeitet. Die Konsequenzen der alten, rechtswidrigen Ordnung der Gesellschaft führten selbst zu ihrer Auflösung, und plötzlich, obgleich auch jetzt fast noch von niemandem in Österreich erkannt, begann der soziale Kampf zwischen der abhängigen, so lange niedergetretenen Klasse der Gesellschaft und der alten, verwitterten des Privilegiums, und aus den Verhältnissen selbst sprangen in dem an Wissen und Ideen doch so armen Österreich die sozialen Bestrebungen, wenn auch unbewusst, wie in Frankreich mächtig hervor, um die Idee des Staates in seiner Reinheit zu verwirklichen …“Wolfgang Radlegger 5020 Salzburg