Wollte „die Unabhängigkeit außerhalb der Legalität erklären“Die Anklageschrift gegen Carles Puigdemont und 24 Mitstreiter spricht von Gewalt.
Spaniens Oberster Gerichtshof ermittelt unter anderem gegen den früheren katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont. Ihm wird vorgeworfen, einen illegalen Abspaltungsprozess in Gang gesetzt zu haben. Deswegen beantragte der Gerichtshof in Madrid die Auslieferung. Aber was steckt hinter dem Vorwurf der Rebellion, der unter Juristen nicht unumstritten ist? Wie sieht die Gesetzeslage aus? In Artikel 2 der Verfassung ist die „unauflösliche Einheit der spanischen Nation, die gemeinsame und unteilbare Heimat aller Spanier“verankert. Laut Artikel 472 ist der Rebellion schuldig, wer sich „gewaltsam und öffentlich“erhebt, um „die Unabhängigkeit eines Teils des nationalen Territoriums“zu deklarieren. Der Rebellion machen sich auch jene schuldig, die „ganz oder teilweise die Verfassung außer Kraft setzen“– auch dies muss „gewaltsam und öffentlich“sein. Welches Strafmaß droht? Den Anführern einer Rebellion droht eine „Gefängnisstrafe zwischen 15 und 25 Jahren“, heißt es in Artikel 473 des Strafgesetzbuchs. Bei Anwendung von Waffengewalt, die Puigdemont aber nicht vorgeworfen wird, liegt das Strafmaß bei 25 bis 30 Jahren. Wie wird die Anklage begründet? Die Anklage mit Aktenzeichen 20907/2017 umfasst 69 Seiten. Verfasst hat sie der zuständige Untersuchungsrichter Pablo Llarena. Der Ex-Regierungschef wird als einer der Hauptverantwortlichen angesehen. Ihm wird vorgeworfen, mit seiner bis Ende Oktober amtierenden Separatistenregierung einen Plan verfolgt zu haben, „um die Unabhängigkeit Kataloniens außerhalb der Legalität zu erklären“. Dabei habe er sich wiederholt über die Anordnungen und Urteile des Verfassungsgerichts hinweggesetzt. Es ist die Rede von einem „Angriff auf den konstitutionellen Staat … wie es ihn in keiner Demokratie unserer Umgebung gegeben hat“. Zu den Gesetzesverstößen zähle auch das Unabhängigkeitsreferendum, das trotz richterlichen Verbots am 1. Oktober abgehalten worden sei. Das „große Risiko von gewaltsamen Zusammenstößen“zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und der Polizei sei bewusst in Kauf genommen worden.
Puigdemont und andere Separatistenführer hätten ihre Anhänger sogar aufgerufen, sich den staatlichen Sicherheitskräften entgegenzustellen, die den Auftrag hatten, das gerichtliche Abstimmungsverbot durchzusetzen. In der Tat kam es am Referendumstag zu heftigen Auseinandersetzungen. Das wird als ein Beispiel von mehreren für Anstiftung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt und zum „gewaltsamen und öffentlichen“Aufstand angeführt.
Puigdemont wird zudem Veruntreuung von Steuergeldern vorgeworfen, die für die illegalen Aktivitäten ausgegeben worden seien. Wann kommt es zum Prozess? Die Verhandlung gegen Puigdemont und seine 24 Mitangeklagten dürfte im Herbst beginnen. Dann wird die Strafkammer entscheiden müssen, ob der schwere Vorwurf der Rebellion haltbar ist oder ob der Untersuchungsrichter über das Ziel hinausgeschossen hat.