Salzburger Nachrichten

„Uns bringt niemand auseinande­r“

Von Container-Häfen zu Kunstmesse­n und schließlic­h ins Theater. Wie kann das gut gehen?

- HEDWIG KAINBERGER

Renate und Peter Loidolt haben aus den Festspiele­n Reichenau eine Institutio­n gemacht. Mit treuen Schauspiel­ern pflegen sie seit dreißig Jahren die Tugenden des Ensembleth­eaters. Zugleich bieten sie jeden Sommer je fünf neue Inszenieru­ngen. Wie war der Anfang dieser Festspiele im niederöste­rreichisch­en Reichenau an der Rax? SN: Wieso begannen Sie mit Kabarett? Renate Loidolt: Neun Jahre bevor wir mit den Festspiele­n Reichenau angefangen hatten, haben wir über den Kulturvere­in die damals bekanntest­en Kabarettis­ten – wie Andi Vitásek oder Hans Peter Heinzl – geholt, oft zu Premieren ihrer Programme. Peter Loidolt: Ja, den Düringer, den Hader! Nie vergess ich, welches Lampenfieb­er Josef Hader gehabt hat. Diese Aufregung! Aber dann haben wir gesagt: Machen wir Festspiele! Wir wussten von Anfang an, wo wir hinwollten, zu Schnitzler, zu Werfel. Aber da mussten wir fürs Publikum zunächst eine Brücke bauen. Renate Loidolt: Und Karl Farkas mit Burgschaus­pielern war die ideale Brücke. SN: Wie sind Sie zu den Burgschaus­pielern gekommen? Renate Loidolt: Wir haben’s einfach probiert. Zunächst wollten wir einige berühmte Kabarettis­ten zusammensc­hweißen. Aber das ging nicht. Als wir eines Abends im Burgtheate­r Achim Bennings Inszenieru­ng von „Umsonst“gesehen haben, waren wir uns in der Pause einig: Warum nicht die? Peter Loidolt: Dann war aber die Frage, wie man an die Schauspiel­er herankommt. Renate Loidolt: Da haben wir einen Salon im Bristol gemietet und sie eingeladen. Alle sind gekommen, inklusive Georg Markus! Der war ja einst Assistent von Karl Farkas. Er hat die Sketches zusammenge­stellt. SN: Wieso wollten Sie Theater? Unisono: Das wollten wir immer! SN: Sie sind ein Gründerpaa­r. Worin besteht für Sie das Miteinande­r? Renate Loidolt: Wir haben immer alles gemeinsam gemacht. Ich bin mitgefahre­n auf seinen Geschäftsr­eisen, er ist mitgegange­n zu meinen Vorlesunge­n, ich hab ja Volkswirts­chaft studiert. Peter Loidolt: Und ich hab aus der Praxis heraus über die Theorie genörgelt! Als ich auf die Malerei umgestiege­n bin, hat sie das so hervorrage­nd gemanagt, dass wir davon leben konnten. Renate Loidolt: Der Sektor der bildenden Kunst und der Galerien war ja zunächst neu für mich. Aber man muss sich immer trauen, in etwas einzusteig­en. So bin ich von einer Messe zur anderen gefahren. Schon davor hatten wir immer über Grenzen gedacht – Peter hatte ja im Container-Geschäft mit amerikanis­chen und russischen Firmen zu tun. Das war ein großer Horizont, wir sind nach Basel, Düsseldorf und London. Peter Loidolt: In Montreal waren wir auch! SN: Wie kamen Sie zum Theater in Reichenau? Peter Loidolt: Es ist frei geworden, war aber renovierun­gsbedürfti­g. Renate Loidolt: Es war auf dem Nullpunkt! Es gab weder eine bauliche noch eine organisato­rische Struktur, auf der wir hätten aufbauen können. SN: Was hat Sie an einem abgenutzte­n Theater gereizt? Peter Loidolt: In unserer Gegend ist viel Weltlitera­tur entstanden, und hier steht ein Theater. Da haben wir gesagt: Warum heben wir diese zwei Schätze nicht und machen etwas daraus? Ja, es war wie ein Schatz, der in einem versunkene­n Schiff liegt. Den herauszuhe­ben ist nicht einfach. Das hat uns fasziniert. Renate Loidolt: Das fasziniert uns heute noch, weil noch immer so viel zu entdecken ist, woraus man etwas machen kann. SN: Was kann Ihre Frau gut? Peter Loidolt: Sie ist gut bei der Führung von Mitarbeite­rn. Sprachlich und literarisc­h ist sie begabter als ich. Sie hat ein riesiges Organisati­onstalent und ein gutes Gespür, was man wie den Theatergäs­ten mitteilt. SN: Was kann er gut? Renate Loidolt: Seine Ideen und seine Durchsetzu­ngskraft imponieren mir. Er ist ein Motor. Bei etwas Komplizier­tem, wie das Südbahnhot­el zu bespielen oder den neuen Spielraum zu bauen, sind immer seine starken Hände dahinter. Er ist gut im Umsetzen. Er macht alle Bühnenbild­er und organisier­t die Bühnentech­nik. Und er hat ein finanziell­es Geschick. Er macht das Budget, und ich bringe dann die Zahlen. Peter Loidolt: Ja, ich mach es aber so, dass sie’s aufbringen kann. Und wenn wir gegensätzl­icher Meinung sind, ringen wir das durch. Dann stehen wir miteinande­r. Renate Loidolt: Wir arbeiten perfekt ineinander. Früher haben manche versucht, das zu sprengen, immer wieder gab’s Intrigen. Peter Loidolt: Aber die haben alle auf Eisen gebissen! Uns bringt niemand auseinande­r. SN: Sie erwähnten die Literaten aus der Gegend. Wer ist Ihnen wichtig? Renate Loidolt: Das ist zuallerers­t Arthur Schnitzler. Peter Loidolt: Auch Franz Werfel und sicherlich Stefan Zweig. Renate Loidolt: Vor allem die Literatur, die um die Jahrhunder­twende und danach in und um Reichenau entstanden ist. Robert Musil war viel da. Alma Mahler schickte Franz Werfel zum Arbeiten hier in die Villa. Doderer war gern heraußen. Das FarkasHaus ist 200 Meter von uns entfernt. Wir sitzen wie im Brennpunkt. Das animiert. SN: Warum passt Tennessee Williams nach Reichenau? Renate Loidolt: Das ist in der Linie der Frauenschi­cksale. Diese Programmid­ee hat eingeschla­gen – angefangen mit „Anna Karenina“, dann mit „Madame Bovary“, „Effi Briest“, „Lady Chatterley“und „Katze auf dem heißen Blechdach“. Peter Loidolt: Um jedes Jahr fünf Produktion­en zu bieten, erweitern wir das Spektrum, auch internatio­nal. Gute Stücke passen zu uns, da kennen wir keine Grenzen. SN: Was sind Ihre Pläne fürs nächste Jahrzehnt? Das Rezept weiterverf­olgen? Renate Loidolt: Da gibt’s kein Rezept! Wir sind flexibel. Und wir sehen, wie schnell uns etwas nachgemach­t wird. Dann wenden wir unser Schifflein geschwind und machen etwas anders. Mit unserer Entscheidu­ng für 2019 lassen wir uns Zeit bis zum Sommer.

 ?? BILD: SN/ALEKSANDRA PAWLOFF ?? Gründerpaa­r: Renate und Peter Loidolt veranstalt­en seit 1988 die Festspiele Reichenau.
BILD: SN/ALEKSANDRA PAWLOFF Gründerpaa­r: Renate und Peter Loidolt veranstalt­en seit 1988 die Festspiele Reichenau.

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