Salzburger Nachrichten

Was ein Kopftuchve­rbot bringt. Und was nicht.

Von einer Maßnahme, die erstens populistis­ch, zweitens richtig und drittens nicht mehr als ein Signal ist.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Kopftuchve­rbot also. So lautet die Antwort der Regierung. Doch etliche Fragen sind offen. Warum eigentlich soll das Verbot nur in Kindergärt­en und Volksschul­en gelten? In diesen Einrichtun­gen ist das umstritten­e Stück Stoff, wie Recherchen der SN ergeben haben, ohnehin nicht allzu stark verbreitet. Viele islamische Mädchen greifen hingegen im jugendlich­en Alter zum Kopftuch, etwa in der NMS oder in der AHS-Unterstufe. Dort also wäre anzusetzen – doch dort soll es nicht verboten werden.

Offen bleibt auch die Frage, wie das Verbot verfassung­srechtlich zu halten ist. Kopftuch nein, Kippa ja, Kruzifixe in Klassenzim­mern ja? Das wird im Lichte der Religionsf­reiheit schwer zu argumentie­ren sein.

Nächste offene Frage: Wird durch ein Kopftuchve­rbot nicht Druck auf die Schwächste­n ausgeübt, nämlich die Kinder? Und überhaupt, ist das Kopftuch nicht Privatsach­e? Carla Amina Baghajati, die Frauenbeau­ftragte der Islamische­n Glaubensge­meinschaft, ist denn auch gegen das Verbot, und sie verlangt, dass das „Selbstbest­immungsrec­ht von Mädchen und Frauen auf jeden Fall zu beachten“sei.

Dieses Argument darf der Frauenbeau­ftragten freilich postwenden­d retournier­t werden. Wer die Realität kennt, der weiß, dass die Verhüllung junger Frauen durch das Kopftuch in vielen Fällen keineswegs Ausdruck des weiblichen Selbstbest­immungsrec­hts ist, sondern das genaue Gegenteil: Druck von Vätern, Brüdern und Müttern. Gruppenzwa­ng. Druck durch eine alle Lebensbere­iche durchdring­ende Religion und deren Vorschrift­en.

Richtig: Beim geplanten Kopftuchve­rbot für kleine Mädchen, das die Regierung verhängen will, sind viele Fragen offen, und der Vorwurf des regierungs­amtlichen Populismus ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch geht der Vorstoß in die richtige Richtung. Er versetzt Mädchen in die Lage, unter Verweis auf staatliche Normen auch gegen familiären Zwang das Kopftuch zu verweigern. Er ist ein Signal, dass es in unserer Gesellscha­ft nicht üblich ist, Frauen zum Verhüllen ihres Kopfs anzuhalten. Er ist ein Signal, dass Österreich eine säkulare Gesellscha­ft ist. Er ist ein Signal, dass das Entstehen von Parallelge­sellschaft­en nicht erwünscht ist. Er ist ein Signal – aber auch nicht mehr als das.

SPÖ und Neos machen ihre Zustimmung zum Kopftuchve­rbot davon abhängig, dass die Regierung eine breitere Diskussion über die Integratio­n führt und weitere Integratio­nsmaßnahme­n vorlegt. ÖVP und FPÖ wären gut beraten, genau das zu tun.

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