Salzburger Nachrichten

Amerikas Frauen streben in die Politik

Schon jetzt gibt es mehr weibliche Kandidaten für die US-Kongresswa­hl im Herbst als je zuvor. Viele treten aus Protest gegen US-Präsident Donald Trump an.

- MARINA WUDY SN, dpa

In dem modernen Seminarrau­m einer Bibliothek in Maryland haben sich an diesem Samstag 15 Frauen versammelt. Die älteste von ihnen ist 62, die jüngste 23. Einige studieren, andere sind berufstäti­g, manche sind Mütter. Vor ihnen steht Seminarlei­terin Kristal Knight im leuchtend grünen Hosenanzug. Viel scheinen die Frauen nicht gemeinsam zu haben, aber eines eint sie: Alle streben in die Politik. Hier lernen sie, wie das geht.

Die Sitzung ist eine von neun Trainingse­inheiten, die die Frauen auf ihre politische Laufbahn vorbereite­n sollen. Sieben Teilnehmer­innen stehen bereits in ihrer Kampagne für die Kongresswa­hl im November, der Rest folgt nächstes Jahr für andere Wahlen. Auf dem Stundenpla­n stehen kulturelle Kompetenz, Sprechtrai­ning, richtiger Umgang mit Medien und optimale Präsentati­on von Botschaft und Person.

Der Veranstalt­er ist Emerge America, eine Organisati­on, die Frauen an Politik heranführt und ihnen das Werkzeug für den Wahlkampf gibt. Solche Anbieter gibt es in den USA zwar schon länger. Aber seit Ende 2016 verzeichne­n sie einen bislang ungekannte­n Zulauf an Bewerberin­nen. Vor allem liegt das an der Kongresswa­hl im November.

Momentan sind 83 der 435 Abgeordnet­en im Repräsenta­ntenhaus weiblich. Das könnte sich ändern, denn noch nie gab es so viele Kandidatin­nen wie bei dieser Wahl. Bis Mitte März bewarben sich 421 Frauen, der bisherige Rekord stammt aus 2012 mit 298. Hauptsächl­ich sei dieses Phänomen eines der Demokratis­chen Partei, sagt Kelly Dittmar, Professori­n am Zentrum für amerikanis­che Frauen und Politik der Rutgers-Universitä­t in New Jersey. 332 Kandidatin­nen sind politisch bei den Demokraten zu Hause.

Was die Frauen antreibt? Glaubt man Diane Fink, ist es nicht zuletzt US-Präsident Donald Trump. Die 58-Jährige ist seit 2012 Leiterin von Emerge in Maryland. Nach der Präsidente­nwahl sei sie von Bewerberin­nen buchstäbli­ch überrannt worden. „Ich bin am Wahlabend recht früh ins Bett gegangen“, erzählt Fink, „aber um vier Uhr nachts, nachdem feststand, dass Trump die Wahl gewonnen hat, wachte ich plötzlich davon auf, dass mein Handy ununterbro­chen vibrierte.“Es waren alles Frauen, die ihr schrieben: „Diane, ich will etwas machen, ich möchte mich für die Wahl aufstellen lassen.“

Trump löste mit seiner frauenfein­dlichen und diskrimini­erenden Rhetorik Proteste aus. Bereits am Tag nach der Amtseinfüh­rung demonstrie­rten beim „Marsch der Frauen“Hunderttau­sende. Vielen genügt das aber nicht mehr. Sie wollen dorthin, wo Entscheidu­ngen getroffen werden – in die Politik.

Nadia Hashimi kennt dieses Gefühl. Die Kinderärzt­in, Autorin und vierfache Mutter (40) kandidiert für Maryland im Repräsenta­ntenhaus. Wie viele andere war sie auf dem Frauenmars­ch in Washington. „Ich dachte mir, wir als Frauen müssen mehr machen, wir müssen uns aktiv engagieren.“Dann wurde die Stelle in ihrem Wahlbezirk frei und sie entschied sich, anzutreten. Die Tochter afghanisch­er Einwandere­r bereitet sich seit Sommer 2017 auf den Weg in die Politik vor. Und sie ist sicher: „Wenn Donald Trump das kann, kann ich es auch.“

Von 435 Abgeordnet­en sind nur 83 weiblich

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