„… dann könnte Ihnen auch dies gefallen“
Zwei von Amazon produzierte Filme starten diese Woche. Was stellt die neue Konkurrenz mit dem Kino an?
Es gab einmal eine Zeit, in der das Kino sich vom damals neuen Konkurrenten Fernsehen abzuheben versuchte. Das war in den 1950er-Jahren, und es brachte das Medium Film voran: Breitleinwandformate wurden entwickelt, neue Farbfilmtechniken, um über bloße Unterhaltung hinaus dem Publikum Gründe zu liefern, das gemeinsame Kinoerlebnis dem gemütlichen Fernsehen daheim vorzuziehen. Auch die Etablierung von Homevideo-Recordern in den Achtzigerjahren stellte in der Filmwirtschaft einiges auf den Kopf, Erotik etwa fand fast nur noch im Videoformat statt, dafür gab es viel Actionkino, das die große Leinwand erforderte. Und in den letzten anderthalb Jahrzehnten war der 3DFilm-Boom ein Versuch der Filmstudios, Zuschauer ins Kino zu holen, die ihre Filme eigentlich lieber daheim sehen, was nicht nur die Entwicklung von Kamera- und Projektionstechnik vorantrieb, sondern auch Sehgewohnheiten und Erzählmethoden veränderte.
Jetzt aber passiert etwas Neues, bei dem das Kino weniger auf die große Geste, sondern auf die kleine Geschichte setzt: Streaming-Plattformen wie Netflix und Amazon produzieren seit ein paar Jahren nicht nur Serien, sondern auch Kinofilme, die auch bei Festivals und großen Filmpreisen bedacht werden. Dabei sind dies Filme, die unbedingt auch auf einem kleinen Bildschirm funktionieren müssen, denn viele konsumieren sie auf dem Tablet oder gar auf dem Smartphone. Bombastische Schauwerte haben hier wenig verloren, Zwischenmenschliches bekommt mehr Platz, wohldosierte Verschrobenheiten sind willkommen. Und: Die Filme müssen in das Schema passen, nach dem auf Streaming-Portalen Empfehlungen funktionieren.
Zwei Beispiele starten diese Woche im Kino, auf der Plattform ihres Produzenten Amazon werden sie erst in ein paar Monaten zu sehen sein. In „Gringo“unter der Regie von Nash Edgerton wird Harold Soyinka (gespielt von David Oyelowo) von seinem Chef-Duo (Joel Edgerton, Charlize Theron) nach Mexiko geschickt, um dort ohne sein Wissen einem Drogendeal einen legalen Anstrich zu verleihen. Doch Harold kommt dahinter, dass er nur benutzt wird, und täuscht seine eigene Entführung vor. Mit vielen popkulturellen Zitaten, Spitzenbesetzung bis in die Nebenrollen und einigen Metzeleien versucht sich „Gringo“als eine Art TarantinoDrogenkomödie, wirkt aber vor allem wie ein Reißbrettkonstrukt.
Ähnlich deutlich ist das bei „Im Zweifel glücklich“um Ben Stiller als unzufriedenen Durchschnittsmann Brad Sloan, der mit seinem halbwüchsigen Sohn Colleges besichtigen fährt, aber im Grunde an der eigenen Midlife-Crisis kiefelt und an der ewigen Vergleicherei mit seinen Jahrgangsgenossen. „Im Zweifel glücklich“ist dermaßen auf Gefälligkeit herunternivelliert, das es fast wehtut.
Für einen Abend mit Rotwein auf der Couch ist das schon zu ertragen, doch dafür extra die Schuhe anzuziehen ist zu viel verlangt. Fürs Kino braucht es schon mehr als Filme, die nach Algorithmen der Art „Wenn Ihnen X gefallen hat, könnte Ihnen auch Y gefallen“entwickelt wurden.
Filme: „Im Zweifel glücklich“, Tragikomödie, USA 2018. Regie: Mike White. Mit Ben Stiller, Jenna Fischer. „Gringo“, Actionkomödie, USA 2018. Regie: Nash Edgerton. Mit David Oyelowo, Charlize Theron. Start: 6. April.