In Rauris wird nach frühen Jahren gegriffen
Was war zuerst: Wirklichkeit oder Sprache? Raphaela Edelbauer eröffnete mit dieser Frage die Literaturtage in Rauris.
Irgendwann wird Raphaela Edelbauer von den Tagen in Rauris erzählen. Wie sie dort gelesen hat aus ihrem Debüt, in dem Sätze, ausgewiesen als nummerierte Instruktionen, wie dieser stehen: „Viel zu lange hat die Literatur sich in falscher Bescheidenheit an ein Erzählen geklammert, als wäre sie nichts anderes als ein seniler Märchenonkel.“Irgendwann wird Edelbauer erzählen, wie sie den Rauriser Literaturpreis bekam.
Edelbauer, die als Preisträgerin traditionell die Literaturtage eröffnet, habe mit ihrem Debüt „Entdecker. Eine Poesie“sowohl „eine spannende naturwissenschaftliche Annäherung an die Poesie als auch umgekehrt: eine poetische Annäherung an die Naturwissenschaft“geschaffen, begründet die Jury ihre Wahl. „Damit überschreitet die Autorin Grenzen und rückt in unerforschte Gebiete der Literatur vor.“
Was Edelbauer in ihrer literarischen Schöpfung tue, sei „nichts weniger, als die Welt auf ihre sprachliche Existenz zurückzuführen. Die Erschaffung der Welt war für sie ein poetischer Akt“, sagte Germanist und Literaturkritiker Harald Klauhs laut Redemanuskript in seiner Laudatio auf Edelbauer. Und Fritz Ostermayer, Leiter der Wiener Schule für Dichtung, hatte bei Erscheinen des Buchs festgestellt: „Weltenerbauen mit Sprache: Imaginäre Geographien, Wissenschaften, Herz- und Hirnsysteme. Besser geht es nicht! Geniestreich! Buch des Jahres! Mindestens.“
Mit der Wahl von Edelbauer habe die Rauriser Jury „tief in der literarischen Schatzkiste der Debüts des Jahrgangs geschürft und eine erstaunliche Entdeckung gemacht“, sagte Harald Klauhs am Mittwochabend in Rauris. „Sie hat herausgefunden, dass Welthaltigkeit in der Literatur nicht unbedingt mit Wald, Luft, Licht, Sonne einhergehen muss, auch nicht notwendigerweise mit der drastischen Schilderung erbarmungswürdiger Kindheiten, sondern dass Sprache und Welt quasi in eins fallen können.“
Irgendwann wird die 1990 in Wien geborene Edelbauer also von diesem Abend im Gasthof Grimming erzählen, der sie als Preisträ- gerin in eine Reihe stellt mit Bodo Hell, Michael Köhlmeier oder Raoul Schrott, mit Juli Zeh, Julya Rabinowich oder Maja Haderlap. In der Erzählung ihres Lebens wird dieser Rauriser Preis, vergeben seit 1972, womöglich Wegweiser ihrer frühen Jahre als Literatin sein.
„Frühe Jahre“ist bis Sonntag das Thema der Rauriser Literaturtage. Zum 48. Mal finden sie statt. Das Leitungsduo Ines Schütz und Manfred Mittermayer hat ein Programm zusammengestellt, das zeigt, wie unterschiedlich von Kindheit oder Jugend erzählt wird.
„Wir interpretieren unsere frühen Jahre neu, oft auch im Licht gängiger Vorstellungen von dieser Lebensspanne“, schreiben Schütz und Mittermayer im Programmheft.
Schreibend vordringen in unerforschte Gebiete