Salzburger Nachrichten

„Bis in die Zehenspitz­en radikalisi­ert“

Lorenz K. soll im Namen des „Islamische­n Staats“Terroransc­hläge geplant haben. Wie sich der 19-Jährige vor Gericht verantwort­et.

- ANDREAS TRÖSCHER

WIEN. Lorenz K. trug Vollbart, war an den Armen tätowiert und machte einen auftrainie­rten Eindruck. Nichts erinnerte daran, dass er erst 19 Jahre alt ist. Seinetwege­n herrschte am Mittwoch im Wiener Straflande­sgericht höchste Alarmstufe. Vor dem Gerichtssa­al wurde eine zweite Sicherheit­sschleuse errichtet, die Justizwach­e marschiert­e mit schusssich­eren Westen auf.

Die Vorwürfe gegen den Teenager mit albanische­n Wurzeln sind massiv: Laut Anklage wollte Lorenz K. im November 2016 einen zwölfjähri­gen Buben zu einem Selbstmord­anschlag auf einen Weihnachts­markt im deutschen Ludwigshaf­en anstiften. Danach habe er ein weiteres Attentat mittels Rohrbombe auf den Militärstü­tzpunkt Ramstein geplant. Der Staatsanwa­lt umrahmte sein mehr als einstündig­es Eröffnungs­plädoyer mit zahlreiche­n drastische­n Formulieru­ngen. Den Beschuldig­ten bezeichnet­e er etwa als „bis in die Zehenspitz­en radikalisi­ert“. Der damals 17-jährige K. knüpfte via Internet Kontakte zur Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) und wurde Mitglied, indem er einen Eid ablegte. In unzähligen Chats mit Gleichgesi­nnten versichert­e man sich: Der Feind, den es zu bekämpfen gilt, sind die „Kuffar“, die sogenannte­n Ungläubige­n. „Die sozialen Netzwerke sind die Brutstätte der Radikalisi­erung“, legte der Ankläger nach. Anschließe­nd war Lorenz K. eine weitere Stunde zum Schweigen verurteilt. Denn sein Verteidige­r wurde nicht müde zu betonen, dass der Angeklagte vor allem eines sei – ein Opfer. Der wahre „Strippenzi­eher“sei dessen IS-Kontaktman­n gewesen. Sowohl K. als auch der Zwölfjähri­ge seien „Marionette­n“gewesen, die der große Unbekannte habe „tanzen lassen“. Der Anwalt sprach von Gehirnwäsc­he und Manipulati­on im großen Stil. Die von K. geäußerten Anschlagsp­läne titulierte er als „jugendlich­e Hirngespin­ste“. Selbst eine in einem Park in Neuss (Nordrhein-Westfalen) gezündete Testbombe sei nicht mehr als ein „besserer Böller“gewesen.

Als Lorenz K. schließlic­h zu Wort kam, erzählte der 19-Jährige von einer behüteten und konfession­slosen Kindheit in Neunkirche­n (Niederöste­rreich). Der Wendepunkt sei 2014 gekommen, als er auf „die falschen Leute“getroffen sei. Es folgten Körperverl­etzung, Nötigung und schlussend­lich schwerer Raub, der den Jugendlich­en für insgesamt neun Monate hinter Gitter brachte. Dort sei er mit dem Islam in Kontakt gekommen. „Er hat mir Kraft gegeben“, sagt Lorenz K. Die ersten Videos von Hasspredig­ern sah er allerdings erst in den Unterricht­spausen in der Berufsschu­le. K. schloss positiv ab und bekam eine Lehrstelle. Dass er im Gefängnis saß, verschwieg er seinem Chef. Als der davon erfuhr, warf er K. raus.

Der Teenager zog sich zurück und verbrachte nur noch Zeit am Computer. In der virtuellen Welt knüpfte er fatale Verbindung­en. Bevor sein Schützling in Ludwigshaf­en mit einem Bombengürt­el Richtung Weihnachts­markt marschiert­e, chattete Lorenz K. drei Tage fast ohne Unterbrech­ung mit ihm. Auch seine „Ehefrau“lernte K. im Netz kennen. Als die beiden von einem „Hinterhof-Imam“(Zitat Verteidige­r) getraut wurden, hatten sie sich kurz davor das erste Mal gesehen.

Dass es der mittlerwei­le 14-Jährige, der heute, Donnerstag, mittels Videokonfe­renz zugeschalt­et werden soll, nicht schaffte, den Sprengsatz am Weihnachts­markt zu zünden, war laut Staatsanwa­lt „eine glückliche Fügung“. Denn die mit Nägeln gespickte Bombe, so fanden Gutachter wenig später heraus, war funktionst­üchtig.

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BILD: SN/PICTUREDES­K Symbol des „Islamische­n Staats“auf einer Flagge.

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