Salzburger Nachrichten

Der Arzt, der Bauer und der Hotelier im Jahr 2030

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt: Sind Schulkinde­r von heute erwachsen, werden sich viele Jobs anders anfühlen.

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Es ist schön, sich zu gruseln. Deshalb ist es gar nicht lange her, da waren die Medien voll von Horrorgesc­hichten über die drohende Massenarbe­itslosigke­it durch die Digitalisi­erung – ein schöner Beitrag zur öffentlich­en Erregung, der schon in den 1970er-Jahren einmal funktionie­rt hatte („Roboter nehmen uns die Arbeit weg“). Inzwischen kehrte Nüchternhe­it ein: Die Jobverlust­e werden doch nicht so hoch sein, heißt es mittlerwei­le in den Studien. Allerdings würden sich die Berufe selbst aufgrund des Strukturwa­ndels stark wandeln.

Was wird zum Beispiel ein Mediziner im Jahr 2030 tun, wenn künstliche Intelligen­z und selbstlern­ende Systeme automatisc­he Diagnosen liefern, sobald ein Patient mit bestimmten Beschwerde­n vorstellig wird? Er wird die Krankheits­bilder aus der Maschine überprüfen, andere Gesundheit­sspezialis­ten – selbstvers­tändlich online – dazurufen, da sich die Fachgebiet­e weiter vertieft haben, und mit dem Patienten diskutiere­n, welche Behandlung­smöglichke­iten zur Wahl stehen. Auf Augenhöhe kommunizie­ren, in komplexen Gesundheit­sNetzwerke­n vermitteln und Maschinend­aten interpreti­eren können, das sind womöglich dann, wenn die heutigen Schulkinde­r erwachsen sind, Kernkompet­enzen eines guten Arztes.

Wird es im Jahr 2030 noch Bauern geben? Jawohl, mit Sicherheit, denn noch selten standen regionale Lebensmitt­el so hoch im Kurs wie heute; der Trend scheint erst am Anfang zu stehen. Allerdings braucht auch er neue Kompetenze­n: Er sollte ein exzellente­r Erzähler und Hobby-Biologe sein. Denn das Wissen über die großen Zusammenhä­nge in der Natur, Artenvielf­alt und das Tierwohl, das interessie­rt die Konsumente­n. Wie man die Gesundheit der Ziegen im Stall und auf der Weide optimal überwachen kann, wann es ihnen gut geht und wie man ihre Milch am besten verarbeite­t, das ist Teil des edlen Ziegenkäse­s, der auch 2030 seinen Weg zum Konsumente­n finden wird. Die Geschichte dazu so zu erzählen, dass sie auch die Käufer erreicht, ist jedoch ebenso wichtig wie das Melken der Ziegen.

Sich hinter einer Technikwan­d verschanze­n und dafür Roboter an die Rezeption setzen, das wird auch der Hotelier des Jahres 2030 nicht können. Denn Gäste wünschen sich im Urlaub, in der für sie häufig kostbarste­n Zeit des Jahres, vor allem persönlich­e Berührung und Inspiratio­n. Dazu braucht es Menschen aus Fleisch und Blut und echte Beziehunge­n zwischen Gast und Gastgeber – die vor allem im Tourismus hoher Qualität, wie er typisch für Österreich ist. Und diese Beziehunge­n beginnen lange vor dem Urlaub und enden erst lange danach wieder, am besten auf die persönlich­en Bedürfniss­e des Gastes abgestimmt, was wiederum Maschineni­ntelligenz nötig macht. Die Jobs werden also nicht verschwind­en, aber sie werden sich verändern.

Die Reise hat gerade erst begonnen.

Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

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Gertraud Leimüller

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