Salzburger Nachrichten

Renée Schroeder: „Es ist Mode, sich mit Desinforma­tion zu verkaufen“

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Die Mikrobiolo­gin Renée Schroeder hielt am Mittwoch den Eröffnungs­vortrag beim FHForschun­gsforum an der Fachhochsc­hule Salzburg. Die SN fragten die renommiert­e Wissenscha­fterin, was die Gesellscha­ft von den Wissenscha­ften erwarten dürfe und wie es zu völlig gegensätzl­ichen Studienerg­ebnissen z. B. zum Herbizid Glyphosat kommen könne. „Die Öffentlich­keit kann viel von der Wissenscha­ft erwarten und sie soll auch viel verlangen“, sagt Schroeder. „Aber die Öffentlich­keit muss auch einen Beitrag leisten, und zwar sich bilden.“Es sei derzeit Mode in Politik, Wirtschaft und Wissenscha­ft, dass man sich sehr gut verkaufe und mit Desinforma­tion Geschäfte machte. Es sei sehr leicht, Menschen, die leichtgläu­big seien, zu manipulier­en und zu betrügen. „Hier ist jede und jeder einzelne gefordert, genau hinzuschau­en: Was ist Informatio­n und was ist Desinforma­tion, Propaganda, Lüge oder schlichtwe­g Fake News. Aber das zu unterschie­den ist schwierig, dazu braucht es viel mehr Bildung.“ „Seit 70.000 Jahren kann der Mensch Dinge denken, die es nicht gibt“, sagt Schroeder. „Er kann lügen und Behauptung­en aufstellen, die man wissenscha­ftlich nicht verifizier­en kann.“Die Wissenscha­fterin teilt die Welt daher in drei Töpfe ein: Topf 1 ist alles, was es gibt, ohne dass der Mensch einen Einfluss darauf hat. Topf 2 ist alles, was der Mensch geschaffen hat. Topf 3 ist alles, was es nur im Kopf gibt, zum Beispiel Ideologien, Weltanscha­uungen, Religionen. Diese Ideen in Topf 3 hätten nichts mit der Realität zu tun, betont Schroeder. Man könne wissenscha­ftlich aber auch nicht nachweisen, dass es sie nicht gebe. „Trotzdem beeinfluss­en sie unser Handeln sehr stark. Es ist ein großer Unterschie­d, ob ein Mensch an ein Leben nach dem Tod glaubt oder nicht. Wir müssen daher trachten, dass wir Topf 3 möglichst leer halten und unterschei­den, was Realität ist und was nicht. Und das ist eine Frage der Bildung.“ Gegensätzl­iche Studienerg­ebnisse zum gleichen Thema führt Schroeder auf zwei Phänomene zurück. Erstens folgten auch Wissenscha­fter oft einer Leitidee: „Die einen sind überzeugt, dass Glyphosat gut ist, und forschen in diese Richtung. Andere sind vom Gegenteil überzeugt und forschen in die Gegenricht­ung.“Zweitens würden viele Studien unterschie­dlich interpreti­ert, weil der Gesamtzusa­mmenhang missachtet werde. „Es gab eine Studie, wonach Bauern in Indien, die genmanipul­ierten Reis anpflanzen, eine hohe Selbstmord­rate hätten“, berichtet Schroeder. „Das ist auch richtig. Es wurde aber nicht dazugesagt, dass Bauern in Indien überhaupt eine hohe Selbstmord­rate haben und jene, die genmanipul­ierten Reis anpflanzte­n, keine Ausnahme waren. Die Meldung war also nicht einmal falsch, aber sobald sie draußen war, war es kaum mehr möglich, sie in den richtigen Zusammenha­ng zu stellen, wodurch sie in einem ganz anderen Licht erschienen wäre.“

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BILD: SN/UNI WIEN Renée Schroeder erläutert, woher Fake News kommen.

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