„Ich bin auf der Überholspur“
Landeshauptmann Wilfried Haslauer über Radikalismen als Ausschließungsgrund für eine Koalition, den wahren Reichtum im Land und die Arbeit der Bundesregierung.
SN: Sie wollen ein Drittel der Stimmen für die ÖVP holen. Das sind 33 Prozent. Warum so bescheiden?
Haslauer: Wir starten bei 29 Prozent. Es bedarf schon großer Anstrengung und Überzeugungskraft, vier bis fünf Prozentpunkte dazuzugewinnen. Wir bemühen uns um jede Stimme. Wenn es mehr sind, freuen wir uns natürlich besonders.
SN: Sie streben eine Koalition aus zwei Parteien an. Es gibt mehrere Kandidaten. FPÖ-Chefin Marlene Svazek, zum Beispiel, will Sie „auf die richtige Spur bringen“. Sind Sie auf Spur Richtung Schwarz-Blau?
Ich bin auf der Überholspur, und genau dorthin gehört die ÖVP. Natürlich ist das Regieren mit zweien von der Kompromissfindung her einfacher. Wenn es die Gegebenheiten verlangen, stehe ich aber auch für eine Dreierkoalition zur Verfügung.
SN: Sie werden mir Ihre Lieblingskoalition nicht verraten. Ich frage Sie aber trotzdem.
Es geht nicht um Lieblingsvarianten. Erstens geht es um Kräfteverhältnisse: Was geht sich rechnerisch aus? Zweitens geht es um die Persönlichkeiten, die für eine Regierung nominiert werden. Das halte ich für das Entscheidende: Was sind das für Leute? Wie sind sie charakterlich? Geht es ihnen darum, sich selbst zu produzieren, oder können sie sich in ein Team einordnen? Und drittens geht es um inhaltliche Themen. Deshalb kann ich jetzt nicht sagen, was nach der Wahl sein wird.
SN: Gibt es einen Ausschließungsgrund für eine Koalition? Es gab etwa eine Debatte um die Vergangenheit des Tennengauer FPÖ-Kandidaten Reinhard Rebhandl in extrem rechtem Umfeld.
Auf die Angelegenheit Rebhandl gehe ich nicht ein, weil ich Mitbewerber nicht qualifiziere. Aber unabhängig von seiner Person und grundsätzlich: Radikalismen sind ein Ausschließungsgrund, egal in welche Richtung sie gehen, egal ob nach rechts oder links. Ich will nicht, dass Radikalismen oder vergangenheitsbezogene Sichtweisen auftauchen und Teil des Regierungsteams sind. Das geht schlicht nicht.
SN: Was hat Sie an der Zusammenarbeit mit den Grünen genervt und was haben Sie als positiv empfunden?
Positiv war der menschliche Umgang. Wir haben gezeigt, dass eine andere Art von Politik möglich ist, bei der die Zusammenarbeit im Mittelpunkt steht. Das war mir besonders wichtig. Wir haben oft diskutiert und noch einmal diskutiert. Aber: Wenn das Ergebnis da war, sind wir beide dazu gestanden. Das war guter Stil. Gleichzeitig war es mir wichtig, den Kontakt zur Opposition zu halten und immer wieder ein Miteinander zu erzielen.
SN: Und was hat Sie an den Grünen genervt?
Das bleibt Koalitionsgeheimnis.
SN: Kein Geheimnis ist, dass es an der ÖVP-Basis viele gibt, die mit den Grünen nicht wollen. Sind Sie bereit, sich über solche Bedenken hinwegzusetzen?
Es gibt an unserer Parteibasis in etwa gleich viele Bedenken gegen eine grüne Regierungsbeteiligung wie gegen eine blaue oder rote. Ich halte mich da an den weisen Satz meines Vaters: „Was immer du machst, du wirst kritisiert werden. Da kannst du gleich das Richtige machen.“Das Schwierige ist, herauszufinden, was das Richtige ist. Das kann ich erst nach der Wahl entscheiden. Sollten wir Nummer eins werden, werden wir mit allen Parteien reden. Mein Ziel ist, so stark zu werden, dass wir in einer Regierung mehr Sachbereiche abdecken können. Dann tritt die Frage, mit wem wir eine Regierung bilden, eher in den Hintergrund.
SN: Die Grünen hinterlassen polarisierende Themen: Tempo 80 und Ausbaustopp für Handelskonzerne auf der grünen Wiese. Sind diese beiden Dinge unumkehrbar?
Tausende Menschen leben an der Autobahn und sind schwer belastet. Daher ist die Entscheidung sachlich und inhaltlich nachvollziehbar. Tempo 80 nervt ein bisschen, auch ich würde gerne schneller fahren. Aber das muss man abwägen mit den Interessen der Anrainer.
Die Menschen beschäftigt vor allem, dass Lkw gleich schnell fahren dürfen wie Pkw. Es kommt deswegen immer wieder zu bedrohlichen Situationen. Daher werden wir Tempo 80 evaluieren müssen – auch im Hinblick darauf, ob nicht der Lkw-Verkehr verlangsamt werden kann, beispielsweise auf Tempo 60.
Der Ausbaustopp auf der Wiese ist kein großes Thema. Hier ist eine gewisse Versorgungsdichte erreicht, sodass man sich darum kümmern muss, die Ortskerne wieder zu beleben. Polarisierend sind die Ausbaupläne des Europarks. Wenn der Europark neu und mit neuen Argumenten einreicht, wird man das vorurteilsfrei und ergebnisoffen prüfen.
SN: Was ist Ihnen das wichtigste Vorhaben für die nächste Legislaturperiode?
Wir müssen den Fachkräftemangel bekämpfen und Salzburg zum lehrlingsfreundlichsten Land machen.
Wir haben seit 2015 ausgeglichen budgetiert. Diesen Weg müssen wir fortsetzen.
Wir müssen uns mit dem Ausbau des Breitbandinternets für die Digitalisierung fit machen.
Was mir besonders am Herzen liegt: 45 Prozent der Menschen sind ehrenamtlich tätig. Das ist der wahre Reichtum des Landes. Diese Werte im Land zu halten ist ein ganz großes Vorhaben.
Und wir müssen die Verwaltung dezentralisieren. Es sollen Dienststellen des Landes südlich des Pass Lueg angesiedelt werden, damit dort mehr qualifizierte Arbeitsplätze entstehen.
SN: Welche Dienststellen sollen übersiedeln?
Das wird geprüft. Es müssen mindestens 200 sein. Wir haben ein Zeitfenster: Innerhalb der nächsten zehn Jahre gehen 50 Prozent der Bediensteten in Pension.
SN: Wie zufrieden sind Sie mit der Performance der Bundesregierung? Es gab die Liederbuchaffäre, das Raucherthema, die Hausdurchsuchung im BVT.
Die Bundesregierung hat ein sehr brauchbares Arbeitsprogramm geliefert, das sie in fünf Jahren abarbeiten muss. Erste Schritte sind getan: der Familienbonus oder die Reduktion der Mehrwertsteuer im Tourismus von 13 auf zehn Prozent.
Die Diskussion über das Liedgut schlagender Verbindungen kann nicht dem ÖVP-Team zugerechnet werden. Mit dem Verbotsverfahren gegen diese Verbindung setzt die Bundesregierung den richtigen Schritt.
Dass das Rauchverbot in der Gastronomie noch nicht kommt, wurde als Wunsch der FPÖ ins Koalitionsprogramm aufgenommen. Wenn man das bei erster Gelegenheit bricht, ist der Regierung die Grundlage entzogen.
Zum BVT: Das schaut auf den ersten Blick wie eine Beamtenintrige aus. Es ist in Wahrheit aber sehr problematisch, weil Bundesstellen an der Nahtstelle unserer Staatsgrundlagen – Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – in Misskredit gebracht werden. Dieses Vertrauen wieder herzustellen ist staatspolitisch eine wichtige Aufgabe.
Unterm Strich ist die Performance nicht schlecht. Wie Bundeskanzler Sebastian Kurz die Regierung führt und Österreich im Ausland vertritt, ist souverän.