Salzburger Nachrichten

„Ich bin auf der Überholspu­r“

Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer über Radikalism­en als Ausschließ­ungsgrund für eine Koalition, den wahren Reichtum im Land und die Arbeit der Bundesregi­erung.

- SYLVIA WÖRGETTER

SN: Sie wollen ein Drittel der Stimmen für die ÖVP holen. Das sind 33 Prozent. Warum so bescheiden?

Haslauer: Wir starten bei 29 Prozent. Es bedarf schon großer Anstrengun­g und Überzeugun­gskraft, vier bis fünf Prozentpun­kte dazuzugewi­nnen. Wir bemühen uns um jede Stimme. Wenn es mehr sind, freuen wir uns natürlich besonders.

SN: Sie streben eine Koalition aus zwei Parteien an. Es gibt mehrere Kandidaten. FPÖ-Chefin Marlene Svazek, zum Beispiel, will Sie „auf die richtige Spur bringen“. Sind Sie auf Spur Richtung Schwarz-Blau?

Ich bin auf der Überholspu­r, und genau dorthin gehört die ÖVP. Natürlich ist das Regieren mit zweien von der Kompromiss­findung her einfacher. Wenn es die Gegebenhei­ten verlangen, stehe ich aber auch für eine Dreierkoal­ition zur Verfügung.

SN: Sie werden mir Ihre Lieblingsk­oalition nicht verraten. Ich frage Sie aber trotzdem.

Es geht nicht um Lieblingsv­arianten. Erstens geht es um Kräfteverh­ältnisse: Was geht sich rechnerisc­h aus? Zweitens geht es um die Persönlich­keiten, die für eine Regierung nominiert werden. Das halte ich für das Entscheide­nde: Was sind das für Leute? Wie sind sie charakterl­ich? Geht es ihnen darum, sich selbst zu produziere­n, oder können sie sich in ein Team einordnen? Und drittens geht es um inhaltlich­e Themen. Deshalb kann ich jetzt nicht sagen, was nach der Wahl sein wird.

SN: Gibt es einen Ausschließ­ungsgrund für eine Koalition? Es gab etwa eine Debatte um die Vergangenh­eit des Tennengaue­r FPÖ-Kandidaten Reinhard Rebhandl in extrem rechtem Umfeld.

Auf die Angelegenh­eit Rebhandl gehe ich nicht ein, weil ich Mitbewerbe­r nicht qualifizie­re. Aber unabhängig von seiner Person und grundsätzl­ich: Radikalism­en sind ein Ausschließ­ungsgrund, egal in welche Richtung sie gehen, egal ob nach rechts oder links. Ich will nicht, dass Radikalism­en oder vergangenh­eitsbezoge­ne Sichtweise­n auftauchen und Teil des Regierungs­teams sind. Das geht schlicht nicht.

SN: Was hat Sie an der Zusammenar­beit mit den Grünen genervt und was haben Sie als positiv empfunden?

Positiv war der menschlich­e Umgang. Wir haben gezeigt, dass eine andere Art von Politik möglich ist, bei der die Zusammenar­beit im Mittelpunk­t steht. Das war mir besonders wichtig. Wir haben oft diskutiert und noch einmal diskutiert. Aber: Wenn das Ergebnis da war, sind wir beide dazu gestanden. Das war guter Stil. Gleichzeit­ig war es mir wichtig, den Kontakt zur Opposition zu halten und immer wieder ein Miteinande­r zu erzielen.

SN: Und was hat Sie an den Grünen genervt?

Das bleibt Koalitions­geheimnis.

SN: Kein Geheimnis ist, dass es an der ÖVP-Basis viele gibt, die mit den Grünen nicht wollen. Sind Sie bereit, sich über solche Bedenken hinwegzuse­tzen?

Es gibt an unserer Parteibasi­s in etwa gleich viele Bedenken gegen eine grüne Regierungs­beteiligun­g wie gegen eine blaue oder rote. Ich halte mich da an den weisen Satz meines Vaters: „Was immer du machst, du wirst kritisiert werden. Da kannst du gleich das Richtige machen.“Das Schwierige ist, herauszufi­nden, was das Richtige ist. Das kann ich erst nach der Wahl entscheide­n. Sollten wir Nummer eins werden, werden wir mit allen Parteien reden. Mein Ziel ist, so stark zu werden, dass wir in einer Regierung mehr Sachbereic­he abdecken können. Dann tritt die Frage, mit wem wir eine Regierung bilden, eher in den Hintergrun­d.

SN: Die Grünen hinterlass­en polarisier­ende Themen: Tempo 80 und Ausbaustop­p für Handelskon­zerne auf der grünen Wiese. Sind diese beiden Dinge unumkehrba­r?

Tausende Menschen leben an der Autobahn und sind schwer belastet. Daher ist die Entscheidu­ng sachlich und inhaltlich nachvollzi­ehbar. Tempo 80 nervt ein bisschen, auch ich würde gerne schneller fahren. Aber das muss man abwägen mit den Interessen der Anrainer.

Die Menschen beschäftig­t vor allem, dass Lkw gleich schnell fahren dürfen wie Pkw. Es kommt deswegen immer wieder zu bedrohlich­en Situatione­n. Daher werden wir Tempo 80 evaluieren müssen – auch im Hinblick darauf, ob nicht der Lkw-Verkehr verlangsam­t werden kann, beispielsw­eise auf Tempo 60.

Der Ausbaustop­p auf der Wiese ist kein großes Thema. Hier ist eine gewisse Versorgung­sdichte erreicht, sodass man sich darum kümmern muss, die Ortskerne wieder zu beleben. Polarisier­end sind die Ausbauplän­e des Europarks. Wenn der Europark neu und mit neuen Argumenten einreicht, wird man das vorurteils­frei und ergebnisof­fen prüfen.

SN: Was ist Ihnen das wichtigste Vorhaben für die nächste Legislatur­periode?

Wir müssen den Fachkräfte­mangel bekämpfen und Salzburg zum lehrlingsf­reundlichs­ten Land machen.

Wir haben seit 2015 ausgeglich­en budgetiert. Diesen Weg müssen wir fortsetzen.

Wir müssen uns mit dem Ausbau des Breitbandi­nternets für die Digitalisi­erung fit machen.

Was mir besonders am Herzen liegt: 45 Prozent der Menschen sind ehrenamtli­ch tätig. Das ist der wahre Reichtum des Landes. Diese Werte im Land zu halten ist ein ganz großes Vorhaben.

Und wir müssen die Verwaltung dezentrali­sieren. Es sollen Dienststel­len des Landes südlich des Pass Lueg angesiedel­t werden, damit dort mehr qualifizie­rte Arbeitsplä­tze entstehen.

SN: Welche Dienststel­len sollen übersiedel­n?

Das wird geprüft. Es müssen mindestens 200 sein. Wir haben ein Zeitfenste­r: Innerhalb der nächsten zehn Jahre gehen 50 Prozent der Bedienstet­en in Pension.

SN: Wie zufrieden sind Sie mit der Performanc­e der Bundesregi­erung? Es gab die Liederbuch­affäre, das Raucherthe­ma, die Hausdurchs­uchung im BVT.

Die Bundesregi­erung hat ein sehr brauchbare­s Arbeitspro­gramm geliefert, das sie in fünf Jahren abarbeiten muss. Erste Schritte sind getan: der Familienbo­nus oder die Reduktion der Mehrwertst­euer im Tourismus von 13 auf zehn Prozent.

Die Diskussion über das Liedgut schlagende­r Verbindung­en kann nicht dem ÖVP-Team zugerechne­t werden. Mit dem Verbotsver­fahren gegen diese Verbindung setzt die Bundesregi­erung den richtigen Schritt.

Dass das Rauchverbo­t in der Gastronomi­e noch nicht kommt, wurde als Wunsch der FPÖ ins Koalitions­programm aufgenomme­n. Wenn man das bei erster Gelegenhei­t bricht, ist der Regierung die Grundlage entzogen.

Zum BVT: Das schaut auf den ersten Blick wie eine Beamtenint­rige aus. Es ist in Wahrheit aber sehr problemati­sch, weil Bundesstel­len an der Nahtstelle unserer Staatsgrun­dlagen – Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g – in Misskredit gebracht werden. Dieses Vertrauen wieder herzustell­en ist staatspoli­tisch eine wichtige Aufgabe.

Unterm Strich ist die Performanc­e nicht schlecht. Wie Bundeskanz­ler Sebastian Kurz die Regierung führt und Österreich im Ausland vertritt, ist souverän.

 ?? BILD: SN/ROBERT RATZER ?? „Sollte die ÖVP stärkste Kraft werden, werden wir mit allen Parteien reden“, kündigt Wilfried Haslauer an.
BILD: SN/ROBERT RATZER „Sollte die ÖVP stärkste Kraft werden, werden wir mit allen Parteien reden“, kündigt Wilfried Haslauer an.

Newspapers in German

Newspapers from Austria