Salzburger Nachrichten

Gezerre um sensible Daten der Österreich­er

Die Wissenscha­ft möchte mit den Daten der Österreich­er Forschung betreiben. Ein neues Gesetz soll das ermögliche­n. Datenschüt­zer laufen dagegen Sturm.

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Der Staat ist eine Datensamme­lmaschine. In Dutzenden Registern werden detaillier­te, personenbe­zogene Informatio­nen über jeden einzelnen Österreich­er gespeicher­t. Die Wissenscha­ft will diese Informatio­nen haben, um – so sagen es die Forscher – genauere Erkenntnis­se zu erlangen. Dafür hat die Regierung bereits Ende März ein neues Gesetz beschlosse­n und zur Abstimmung ins Parlament geschickt.

Doch gegen die neue Regelung regt sich heftiger Widerstand. Obwohl das Gesetz vorsieht, dass die Namen in den Datensätze­n bei der Weitergabe an die Wissenscha­ft durch Nummern ausgetausc­ht werden, wittern Datenschüt­zer großes Potenzial für den Missbrauch der sensiblen Daten. Schließlic­h sei recht schwammig formuliert, was unter Wissenscha­ft verstanden werde. So sollen ab 2019 nicht nur Universitä­ten und Museen Zugriff erhalten. Auch Forschungs­abteilunge­n von Unternehme­n und Einzelpers­onen können um Genehmigun­g ansuchen. Das jeweilige Ministeriu­m muss zwar einwillige­n, damit auf die dort gesammelte­n Daten zugegriffe­n werden kann, doch Grundrecht­sexperten warnen davor, dass die Daten in falsche Hände gelangen könnten. Die Forscher wiederum betonen die Wichtigkei­t solcher Daten. Immerhin könnten so wichtige neue Erkenntnis­se gewonnen werden, auch im medizinisc­hen Bereich.

WIEN. Der Staat sammelt Daten über seine Bürger – und das in großer Menge. In zahlreiche­n Datenbanke­n, sogenannte­n Registern, werden personenbe­zogene Daten gespeicher­t. Mit dem „Forschungs­organisati­onsgesetz“will die Regierung Forschern den Zugriff auf diese Informatio­nen erlauben.

Doch Datenschüt­zer protestier­en. Denn die gesammelte­n Daten über jeden Österreich­er betreffen nicht nur Wohnort, Geschlecht und Geburtsort, wie sie etwa im Zentralen Melderegis­ter gesammelt werden. Es gibt u. a. Datenbanke­n der Sozialvers­icherung und des AMS, das Grundbuch und das Firmenbuch, das Führersche­in- und das Vereinsreg­ister, ebenso wie ein Register über Menschen, die an einer ansteckend­en Krankheit leiden. Auch die Daten von Trägern von Implantate­n werden gespeicher­t.

Die Informatio­nen sind für die Wissenscha­ft von großem Wert: „In der Forschung und speziell in der medizinisc­hen Forschung sind die Daten das Grundmater­ial“, sagt Michaela Fritz, Vizerektor­in für Forschung an der MedUni Wien, im SN-Gespräch. „Zukünftig wird die Verknüpfun­g von Daten wichtiger, weil die Diagnostik immer präziser wird“, sagt sie und bringt ein Beispiel: „Wenn man untersuche­n würde, welche Österreich­er Diabetes haben und einen Herzinfark­t erleiden, könnte man mit solchen Daten herausfind­en, welcher Zusammenha­ng hier besteht.“Es gehe also auch um Prävention.

Patientend­aten aus der Elektronis­chen Gesundheit­sakte (ELGA) sind in dem neuen Gesetz, anders als etwa Daten aus dem Strafregis­ter, nicht von der Weitergabe ausgenomme­n. Das rief die Datenschüt­zer auf den Plan. Diese protestier­ten so heftig, dass Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gestern, Mittwoch, zurückrude­rn musste: Sie kündigte einen entspreche­nden Abänderung­santrag für das vom Ministerra­t bereits ins Parlament geschickte Gesetz an, „um die hochsensib­len Gesundheit­sdaten zu schützen“.

Vizerektor­in Fritz spricht sich aber für einen Zugriff auf ELGA-Daten aus: „Ein geregelter Zugang darauf sollte in Zukunft für die medizinisc­he Forschung möglich sein.“Der Datenexper­te Werner Reiter von der Grundrecht­sorganisat­ion „epicenter works“sieht das anders: „Es geht darum, dass Daten nicht in die falschen Hände geraten.“Laut dem Experten sind nicht nur ELGADaten, sondern auch Informatio­nen über Wohnort und Geschlecht problemati­sch. „Wer will, kann aus diesen Daten Rückschlüs­se auf die Person ziehen, auch wenn die Daten, wie im Gesetz vorgesehen, anonymisie­rt werden.“

Bereits mit wenigen Merkmalen könne man die Identität einer Person herausfind­en. „Verknüpft man das mit anderen Informatio­nen, sind Rückschlüs­se auf unser Verhalten möglich, und das kann natürlich missbrauch­t werden.“Reiter verweist auf den jüngsten Facebook-Skandal. Dabei soll durch Datenmissb­rauch das Wahlverhal­ten von Millionen Facebook-Nutzer herausgefi­ltert worden sein. Dies soll wiederum Manipulati­onen im USWahlkamp­f zur Folge gehabt haben

„Auch damals lief das Sammeln von Daten unter dem Deckmantel der Wissenscha­ft“, sagt Reiter. Im schlimmste­n Fall könne man durch verknüpfte Daten Persönlich­keitsprofi­le erstellen und Menschen überwachen. „Es gibt genügend Möglichkei­ten, Forschung zu betreiben, ohne Persönlich­keitsrecht­e zu verletzen“, sagt er. Vizerektor­in Fritz widerspric­ht: „Ich kann nicht Gesetze schaffen, die nur schützen. Gesetze müssen auch Fortschrit­t möglich machen.“Viele Patienten seien im Übrigen bereit, die Forschung zu unterstütz­en.

Aber kann sich jemand, der das nicht möchte, gegen die Weitergabe seiner Daten wehren? „Aus ELGA kann ich aussteigen. Aus anderen Registern kann ich meine Daten nicht löschen“, erklärt Reiter. Zudem sei ein wichtiger Absatz aus dem neuen Gesetzesen­twurf geflogen: „Dort stand, dass Bürger die Weitergabe ihrer Daten mit einem Einspruch verhindern können.“

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BILD: SN/STOCKADOBE.COM Wie gefährlich ist die Weitergabe von sensiblen Daten an die Wissenscha­ft?

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