Salzburger Nachrichten

Bei Reizung nicht operieren

Bei Kindern könnte man auch etwas zuwarten, ehe man bei einer Entzündung des Blinddarms operiert. Das empfehlen jetzt Chirurgen und setzen auf eine Antibiotik­atherapie vor einem Eingriff.

- SN, dpa

Bei einer Blinddarme­ntzündung bei Kindern soll nicht länger automatisc­h operiert werden. Sofortige Eingriffe seien oft gar nicht nötig. Kinder könnten zunächst mit Antibiotik­a behandelt werden. Das empfahl die Deutsche Gesellscha­ft für Chirurgie (DGCH) am Mittwoch. Die Medikament­e sollen helfen, schwere Komplikati­onen zu vermeiden, eine OP sicherer zu machen oder eventuell sogar zu verhindern, erklärte DGCH-Präsident Jörg Fuchs. Eingriffe wegen Blinddarme­ntzündunge­n, sogenannte Appendekto­mien, gehören zu den häufigsten Operatione­n überhaupt. Etwa zehn Prozent der Menschen haben eine derartige Operation.

Noch bis vor wenigen Jahren drängten Ärzte schon beim Verdacht auf Blinddarme­ntzündung auf einen schnellen Eingriff – aus Angst vor einem Blinddarmd­urchbruch. Dieser ist lebensgefä­hrlich. Allerdings gab es darunter auch unnötige Operatione­n, in denen sich der Blinddarm als gar nicht entzündet herausstel­lte.

Vor allem eine schwedisch­e Studie vor zwei Jahren brachte nun ein Umdenken in Gang: Sie habe gezeigt, dass es offensicht­lich möglich sei, Blinddarme­ntzündunge­n bei Kindern nur mit Antibiotik­a – die seit Langem ohnehin begleitend zur OP gegeben werden – sicher zu behandeln, erklärte Bernd Tillig von der Deutschen Gesellscha­ft für Kinderchir­urgie. Folgestudi­en würden von Fachleuten diskutiert.

Bei erfolgreic­her Behandlung blieben Kindern die Narkose und der Eingriff erspart. Die Misserfolg­srate sei mit bis zu 40 Prozent allerdings relativ hoch, schilderte Tillig. In dem Fall müssten Kinder nach einigen Tagen dann doch noch operiert werden. Und selbst wenn junge Patienten „geheilt“entlassen würden, könnten neuerliche Entzündung­en folgen, was dann in der Regel doch zur OP führe.

Der Verzicht auf eine Sofort-OP dank Antibiotik­a und Schmerzmit­tel verschafft Ärzten in jedem Fall mehr Zeit, um eine genaue Diagnose zu stellen. Fehldiagno­sen seien inzwischen selten geworden, erklärte der Experte. Besonders wichtig seien Ultraschal­luntersuch­ungen. Blinddarme­ntzündunge­n können mit starken Schmerzen im rechten Unterbauch einhergehe­n, manchmal begleitet von Übelkeit und Erbrechen oder Durchfall. Die Krankheit ist bei Kindern und Jugendlich­en besonders häufig.

Als Appendizit­is bezeichnet man die Entzündung der Appendix, eines Teils des Dickdarms. Der Begriff „Blinddarme­ntzündung“ist jedoch irreführen­d: Entzündet ist nicht der Blinddarm selbst, sondern der Wurmfortsa­tz, eine wurmförmig­e Ausstülpun­g des Blinddarms. Die gesunde Appendix hat eine Länge von zwei bis 20 Zentimeter­n. Grundsätzl­ich kann eine Appendizit­is jede Altersgrup­pe betreffen, sie tritt jedoch am häufigsten im Schulalter zwischen dem fünften und dem zwölften Lebensjahr auf.

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