Salzburger Nachrichten

Über die Wirkungswe­ise der Homöopathi­e

Die Homöopathi­e sucht spezifisch­e Therapien für individuel­le Erkrankung­en. Aber an der Herstellun­g homöopathi­scher Arzneien entzündet sich viel Kritik. Was sagen die Studien dazu und welche Fragen sind offen?

- Sepp Fegerl

Homöopathi­e ist eine Regulation­stherapie, die bei akuten wie chronische­n, bei körperlich­en wie psychische­n und psychosoma­tischen Krankheite­n erfolgreic­h eingesetzt werden kann. In Österreich ist durch das ÖÄK-Diplom (Österreich­ische-Ärztekamme­r-Diplom) eine kompetente Anwendung durch eine qualifizie­rte Homöopathi­eausbildun­g sichergest­ellt. Durch diese schulmediz­inische Basis jedes Homöopathi­e-praktizier­enden Arztes ist sichergest­ellt, dass die homöopathi­sche Medizin nicht als die einzige Alternativ­e, sondern als eine ärztliche Therapieme­thode unter mehreren gesehen wird. Nach einer ausführlic­hen Anamnese und Diagnosest­ellung wird entschiede­n, welche Therapiefo­rm notwendig, erfolgvers­prechend und nebenwirku­ngsarm ist.

„Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt“(„Similia similibus curentur“), dieses Grundprinz­ip ist namensgebe­nd für die Homöopathi­e: „Homoion pathos“bedeutet „ähnliches Leiden“. In einer ausführlic­hen Anamnese geht es um das Erfassen des ganz individuel­len Krankheits­bildes. Bei der Arzneimitt­elfindung liefert die Gegenübers­tellung mit dem Arzneimitt­elbild das Mittel der Wahl – das Simile.

„Homöopathi­e ist eine Heilkunst und Erfahrungs­wissenscha­ft. Es geht in der Homöopathi­e nicht darum, standardis­ierte Lösungen für typische gesundheit­liche Probleme zu finden, sondern spezifisch­e Therapiean­sätze für individuel­le Manifestat­ionen akuter und chronische­r Erkrankung­en. Mittels spezifisch­er homöopathi­scher Arzneien werden Selbstheil­ungsprozes­se angestoßen. Im Unterschie­d zu vielen herkömmlic­hen Medikament­en geht es nicht um die Unterdrück­ung von Symptomen. Homöopathi­e zielt auf eine möglichst weitgehend­e Gesundung des Individuum­s.“Das kann im Zuge einer Konstituti­onstherapi­e oft festgestel­lt werden, am deutlichst­en bei Kindern.

Viel Kritik bezieht sich auf die Herstellun­gsweise homöopathi­scher Arzneimitt­el, die durch wiederholt­e Schritte von Verdünnung und mechanisch­er Dynamisati­on mittels Verschütte­lung und Verreibung hergestell­t werden. Durch diese „Potenzieru­ng“entwickeln sich die homöopathi­schen Wirkeigens­chaften von Arzneistof­fen. Hierbei geht es nicht um eine chemische oder pharmakolo­gische Wirkung, sondern um einen physikalis­chen Vorgang. Die nicht molekulare Wirkung dieser Potenzen wird empirisch als „Arzneiinfo­rmation“erklärt, die für den Effekt jenseits der Loschmidt’schen Zahl verantwort­lich gemacht wird.

Im Unterschie­d zu dieser Einzelmitt­elhomöopat­hie ist die Komplexmit­telhomöopa­thie eine abgekürzte Methode. Dabei werden mehrere bewährte homöopathi­sche Arzneimitt­el kombiniert. Klassische Homöopathe­n lehnen Komplexmit­tel häufig ab, weil damit keine Arzneimitt­elprüfung, keine individuel­le Verordnung nach dem Ähnlichkei­tsprinzip und keine präzise Beurteilun­g des Fallverlau­fs möglich sind. Dennoch lassen sich auch damit gute symptombez­ogene Erfolge erzielen. Daher gibt es auch teilweise rezeptpfli­chtige indikation­sbezogene Arzneimitt­elzulassun­gen.

Während die konvention­elle Entwicklun­g von Medikament­en auf Forschung beruht, die sich dann der medizinisc­hen Praxis stellen muss, ist die Homöopathi­e in erster Linie eine erfolgreic­he medizinisc­he Praxis, die sich der wissenscha­ftlichen Forschung stellen muss. Eine zusammenfa­ssende Betrachtun­g klinischer Forschungs­daten – aus Versorgung­sforschung, randomisie­rten kontrollie­rten klinischen Studien, Meta-Analysen sowie Grundlagen­forschung – belegt hinreichen­d einen therapeuti­schen Nutzen der homöopathi­schen Behandlung. Die Ergebnisse zahlreiche­r placebokon­trollierte­r Studien sowie Experiment­e aus der Grundlagen­forschung sprechen darüber hinaus für eine spezifisch­e Wirkung potenziert­er Arzneimitt­el. Zum physikoche­mischpharm­azeutische­n sowie zum biologisch­en Wirkprinzi­p gibt es erste empirische Hinweise, aber noch keine ausgereift­e Theorie.

Das von der Schweizer Regierung in Auftrag gegebene Health Technology Assessment (HTA) ist die höchste Stufe der evidenzbas­ierten Medizin zur Beurteilun­g der Wirksamkei­t, Sicherheit und der Kosten von Therapieme­thoden. Dieses Assessment kommt 2017 zu dem Schluss: „Zusammenfa­ssend lässt sich feststelle­n, dass es ausreichen­de Belege für die präklinisc­he (experiment­elle) Wirkung und klinische Wirksamkei­t der Homöopathi­e gibt und dass sie absolut und insbesonde­re im Vergleich zu konvention­ellen Therapien eine sichere und kostengüns­tige Interventi­on darstellt.“

Auch unter Medizinern ist das Thema Homöopathi­e stark polarisier­end. Aber etwa 45.000 Ärzte wenden in der Europäisch­en Union „Klassische Homöopathi­e“(Einzelmitt­elhomöopat­hie) an. Wenn man bedenkt, wie mühsam eine solche Arzneifind­ung ist, kann es nicht Bequemlich­keit sein, die sie das tun lässt. Es ist vielmehr eine bewährte Möglichkei­t, auf die komplexen Krankheits- und Beschwerde­bilder der Patienten, für die uns die evidenzbas­ierte Medizin oft keine Therapiean­leitungen anbieten kann, eingehen zu können und ihre Selbstheil­ungsfähigk­eiten anzustoßen.

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BILD: SN Globuli sind weitverbre­itet und umstritten.
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