Kochen ist Architektur mit Geschmack
Clemens Holzmeister gehört für viele zu Salzburg wie die Mozartkugeln. Dabei ging sein Stern in der Türkei auf. Ein Architekt und zwei Köche versuchen heute sein Werk kulinarisch zu interpretieren. Das Ergebnis: Türkische Festspiele für den Gaumen.
HENNDORF. Woran denken Sie, wenn Sie den Namen Clemens Holzmeister hören? Genau: an das alte Salzburger Festspielhaus. „Stimmt schon. Das hat eine besondere Rolle in seinem Leben gespielt“, sagt der Salzburger Architekt Robert Wimmer. „Er hatte es bereits 1926 erstmals umgebaut. 1938 fügte er eine große Adaptierung durch. Dann flüchtete er vor den Nazis. Weshalb er diese Arbeit erst von 1955 bis 1960 vollendete. Da wurde das Neue Festspielhaus errichtet.“
Dieses Bauwerk hat es Wimmer besonders angetan: „Es ist bis heute in seiner Schlichtheit einzigartig“, sagt er. „Mit dem benachbarten Haus für Mozart hätte er sich aber wohl nicht so recht angefreundet“, vermutet Wimmer. Wir sitzen auf der Terrasse des Restaurants Weyringer in Henndorf. Die beiden Köche Emanuel Weyringer und Karl Eschlböck hören aufmerksam zu. Sie sollen Holzmeister kulinarisch übersetzen und sind für jede Anregung dankbar. Festspiele? Haus für Mozart? Da lägen eigentlich mit Mozartkugeln gefüllte Salzburger Nockerl nahe.
Nein. Denn Wimmer ist noch nicht fertig. „Holzmeister wurde ja stark in der Türkei geprägt“, sagt er. Weyringer fragt fasziniert nach: „Das Festspielhaus ist türkisch inspiriert?“Eschlböck nickt und sagt: „Kulinarische Kooperationen gab es ja schon während der Türkenbelagerung im Jahr 1683. Da sind ein paar Wiener durch das Schottentor rausgeschlichen und und haben den Türken zwei Pferde und sieben Ochsen gestohlen.“Wimmer ist von diesem kulinarischen Einschub beeindruckt. Er fährt fort: „Holzmeister hat das Regierungsviertel in Ankara gebaut. Dank seiner ,sachlichen Monumentalität‘ überzeugte er bald Kemal Atatürk, der ihn zu seinem Haus- und Hofarchitekten machte.“„Sachliche Monumentalität“, wiederholt Weyringer, „das gefällt mir.“Er schlägt vor: „Lamm-Börek mit Ayran und Honignüssen. Das ist sachlich.“Gleich darauf wird er monumental: „Und eine Baba-GanoushCrème“, sagt er. „Da kommt eine Aubergine im Ganzen mit Meersalz, Olivenöl, Knoblauch in der Schale und Thymian bei 170 Grad 15 Minuten lang in den Ofen. Was sagst du, Meister?“, fragt er Eschlböck. Der zieht seine linke Augenbraue hoch. „Dann mixe ich das Innere der Aubergine mit Olivenöl, Salz, Pfeffer, Limettensaft, gemahlenem Koriander, Minze, Petersilie, etwas Joghurt, gemahlenem Kümmel und ein bisserl Wasser. Das passiere ich und gebe die Masse in eine Isi-Flasche – mit zwei Kartuschen versetzt.“Weyringer hat ein seltsames Glänzen in den Augen. „Dann brauchen wir noch Sago-Rhabarber, das geht so ...“„Stopp, junger Meister!“, unterbricht ihn Eschlböck. „Das ist große Kunst, was du da machst. Aber wer kann das daheim nachbauen?“Weyringer senkt ein wenig entmutigt den Kopf. „Mach dir nichts draus“, sagt Wimmer. „Mir geht es oft so: Wenn alles genau so gebaut würde, wie ich es geplant habe ...“Eschlböck lächelt und sagt: „Die türkische Küche ist ja ein Konglomerat aus allen Küchen Kleinasiens. Das beweist: Wer gut essen will, der darf sich von keiner politischen Grenze aufhalten lassen und erst recht nicht von Vorurteilen. Gute Architektur funktioniert offenbar genau so. Wir könnten also genauso gut mit marinierten Lammfleisch-Würfeln ein Shish Kebab bauen. Es muss nur gut werden.“Das ist vielleicht die wertvollste Erkenntnis – wenn man sich kulinarisch mit Holzmeister beschäftigt. Nächste Woche: Wie schmeckt das VulcaniaMuseum von Hans Hollein in der Auvergne?