Entnazifizierung per Fragebogen statt Revolution
Nach Kriegsende 1945 stellte sich die Frage, wie umgehen mit den Resten des NaziRegimes? Protokolle aus dem wiedereingesetzten Parlament zeigen, dass es damals auch Befürworter einer revolutionären Form der Entnazifizierung gab. „Hätten wir uns selbst befreit, dann hätten wir das Naziproblem in kurzer Zeit mit viel schärferen, mit schlimmeren Mitteln gelöst, als wir es jetzt lösen müssen“, ist da etwa zu lesen.
Es war ein langsamer, umfassender Prozess, „es gab kaum etwas, das von der Entnazifizierung nicht berührt wurde“, schreibt der Historiker Dieter Stiefel. Statt Revolution gab es Fragebögen, in denen die Mitgliedschaft in NSDAP, SA, SS, HJ und anderen Organisationen anzugeben war. Von fast 700.000 einstigen NSDAP-Mitgliedern wurden ab 1945 mehr als 500.000 registriert, davon 98.330 „Illegale“. Die Entnazifizierung sah Strafen bis zum Todesurteil oder auch Berufsverbote oder Sühneleistungen vor. Dem Verbots- und dem Kriegsverbrechergesetz von 1945 folgte 1947 das Nationalsozialistengesetz. Es trennte Täter „von der Masse der Verführten“, was mit den Amnestien für Minderbelastete – 90 Prozent der registrierten Nationalsozialisten – einen Schlussstrich erlaubte. 1948 herrschte Einigkeit, dass das Gesetz erfüllt sei. Auch Straßennamen oder Bibliotheken wurden entnazifiziert. Allein die Städtischen Büchereien Wien entfernten 60.000 Bücher – 40 Prozent des Bestands – als faschistisches Schriftgut.