Haben Sie Verkehr?
ICHschaue immer noch Formel-1-Rennen im Fernsehen. Auch wenn mittlerweile der Spannungsgehalt höher ist, wenn man eineinhalb Stunden dem Rasen beim Wachsen zuschaut. Und obwohl heute langweilige Milchgesichter namens Nico, Kevin oder Stoffel die Boliden steuern und keine wilden Hunde mehr. Was waren das für Zeiten, als ein Gerhard Berger langsame Trainingsrunden mit dem Satz „I hab’ Verkehr g’habt“, erklärte und Heinz Prüller zweideutig lächelnd dazu nickte.
Formel 1 bezog ihren tieferen Sinn stets aus der Rolle als Testgelände für den automobilen Normalbetrieb. Wir wussten: Wenn Gerhard Berger sein 1000-PS-Turbomotor und seine profillosen Slick-Reifen nicht im Stich ließen, würde so etwas bald auch bei unserem Fiat Punto oder Opel Corsa zur Standardausstattung gehören.
Mittlerweile nützen uns aber die tausend Pferdestärken und die Slicks nicht mehr viel, weil es den meisten so geht wie damals Gerhard Berger im Qualifying. Sie müssen ihrem Chef erklären: „I hab’ Verkehr g’habt“, wenn sie staubedingt wieder einmal zu spät zur Arbeit kommen. Zweideutig lächelndes Nicken ist da kaum zu erwarten.
Ich glaube fest an die innovative Power der Renn-Ingenieure, wenn es um die Lösung des Stauproblems geht. Persönlich habe ich eine Theorie mit spirituellem Ansatz für die immer dichteren Blechschlangen-Prozessionen in die Debatte zu werfen. Angelehnt ist sie an den buddhistischen Meister Xuyun, der sich einst auf einer Pilgerreise alle drei Schritte betend zu Boden warf und damit als Erfinder des Stop-and-go-Verkehrs gilt.
Wen aber beten die IndividualverkehrsJünger an, wenn sie in einem fort anfahren und bremsen? Meiner Beobachtung nach den heiligen Trampolinus, für den sich in etlichen Vorgärten eine Weihestätte befindet. Meine Theorie fand in Fachkreisen wenig Unterstützung. Ich schaue also weiter Formel-1-Rennen. Weil dort Experte Alex Wurz öfter kryptisch von einer effektiven Erfolgsstrategie namens „Undercut“sprach, erkundigte ich mich beim Tankwart meines Vertrauens. „Do muasst zum Friseur“, sprach er. Auch keine Hilfe. Ich werde Gerhard Berger kontaktieren müssen und fragen: „Haben Sie immer noch Verkehr?“