Ein Ex-Carabiniere will Maria gesehen haben
Ein pensionierter Carabiniere behauptet, mehrfach im Jahr die Gottesmutter zu sehen. In Italien, in Deutschland und auch in Österreich. Die offizielle Kirche grollt, die Gläubigen sind ergriffen.
Kommt die Gottesmutter zwei Mal im Jahr nach Kärnten? Ein Seher polarisiert.
Die Zahl der Gläubigen hat abgenommen
Er blickt direkt in die starke Frühlingssonne, erhebt die Arme, in denen ein Rosenkranz baumelt. Dann scheint er etwas zu murmeln und sinkt theatralisch auf die Knie. Hunderte Augen sind auf den Italiener gerichtet, die Totenstille wird nur durch einen bellenden Hund gestört. Nach wenigen Minuten steht er, der sich Seher nennt, wieder auf, verneigt sich und verschwindet, um in einer „Kammer der Meditation“die Botschaft, die er angeblich von der Gottesmutter empfangen haben will, niederzuschreiben. Maria soll, wie von Caputa angekündigt, wieder da gewesen sein. Pünktlich um 16.30 Uhr. Wie immer.
Der Name Salvatore Caputa steht für Marienerscheinungen am laufenden Band. Der immer aktiver werdende pensionierte Carabiniere pendelt zwischen dem heimatlichen Monte Casale, Bayern und Österreich, wo er in Bad St. Leonhard Samstagnachmittag rund 500 Visiongläubige versammelte. Seit acht Jahren macht er dies in der Kärntner Gemeinde, nachdem der Besucherzustrom bislang stetig wuchs, gab es nun erstmals einen Rückgang. Vielleicht sind die inflationären Erscheinungen dafür verantwortlich, vielleicht auch die jüngst in Deutschland laut gewordene harsche Kritik der Amtskirche.
Nachdem Caputa mehrfach in Walpertskirchen und in Unterflossing in Erscheinung trat, hatte sich das Erzbistum München und Freising von dem Event distanziert und allen Klerikern verboten, an diesen Versammlungen und Gottesdiensten teilzunehmen. Ein Gutachten des Lehrstuhls für Dogmatik an der Universität München hatte die Vorgänge als „äußerst fragwürdig“beurteilt. Aufgrund der „Theatralik“und des Inhalts der angeblichen Botschaften liege nahe, dass Caputa öffentliche Anerkennung suche. Es sei ebenso naheliegend, dass dies der wahre Beweggrund für die Auftritte sei und nicht „tatsächliche Offenbarung“.
Auch die zuständigen Diözesanleitungen in Mantua, Trient und Bozen-Brixen kamen zu ähnlichen Schlüssen. In Kärnten wiederum distanzierte sich Bischof Alois Schwarz klar. Er habe bereits 2010 den Gläubigen den Rat erteilt, „sich nicht voreilig und unbedacht in die Vorgänge auf dem Schlossberg in Bad St. Leonhard im Lavanttal hineinziehen zu lassen und diese auch nicht durch eine Beteiligung aufzuwerten“. Die Kirche grollt ob der „Privatoffenbarungen“des Sizilianers, der aber weiterhin viele Gläubige mobilisieren kann. „Es herrscht beim Seher immer eine wunderbare Stimmung, es wird viel gebetet, ich verstehe nicht, warum die Kirche da dagegen ist“, sagt etwa Irene, eine aus St. Pölten nach Kärnten angereiste Frau.
Eine andere verteilt Marienbilder und sagt zu einem älteren Mann: „Nehmen Sie eins, dann können Sie ihre Krücken bald wegwerfen.“Die Sehnsucht nach einem Wunder ist groß hier in Bad St. Leonhard und der von einem Leibwächter mit Marienbild begleitete Salvatore Caputa weiß, was seine Anhänger wollen. Intensiver Rosenduft, der die beiden umgibt, reicht den Versammelten als Beweis eines übernatürlichen Vorgangs. Und dann freilich die Botschaft, die Maria dem Italiener übermittelt haben soll. Diesmal soll die Gottesmutter auf die „vielen Ängste der Jugendlichen“so reagiert haben: „Der Dritte Weltkrieg wird nicht kommen.“Spontaner Beifall der CaputaJünger, als die deutsche Übersetzung dieses Satzes vorgelesen wird. Maria soll, so Caputa weiters, bei ihrem Kärnten-Besuch ein weißes Kleid getragen haben und von neun Engeln flankiert gewesen sein. „Mein Gott, wie schön“, sagt eine Teilnehmerin und blickt verzückt gen Himmel. Ergriffenheit macht sich breit. Ein kniender Mann hat Tränen in den Augen. Ein anderer sucht beflissen mit einem Fernglas den Himmel ab.
Er und alle anderen wundern sich nicht, dass der Italiener jetzt schon weiß, wann Maria wieder nach Bad St. Leonhard kommen wird: am 20. Oktober. Praktischerweise wieder an einem Samstag, und – damit man es sich leichter merken kann – wieder um 16.30 Uhr. Was Gegner des Marien-Happenings als „reinen Humbug“und „ein bedenkliches Spiel mit den Glaubensgefühlen der Menschen“bezeichnen, interpretieren andere als „starkes, religiöses Erlebnis“: ein „Seher“, der polarisiert.