Ein Bischof für Krieg und Frieden
Österreichs Militärbischof Werner Freistetter kennt das Bundesheer von klein auf. Der Kirchenmann kann Einsätze und Kampf moralisch vertreten – unter gewissen Bedingungen.
„Es gab keinen Fernseher, aber es war immer etwas los“– so beschreibt Werner Freistetter seine Kindheit. Der gebürtige Linzer ist im militärischen Umfeld, teils in Kasernen, groß geworden. Sein Vater sei hochrangiger Offizier gewesen, erzählt er in seinem Büro in Wien-Hietzing. Der 64 Jahre alte Mann trägt sein langes Priestergewand, die Soutane. An der Brust hängt das Bischofskreuz. Der Apostolische Nuntius Peter Zurbriggen hat Freistetter im Juni 2015 zum Österreichischen Militärbischof geweiht. In diesem Job betreut er rund 100.000 Katholikinnen und Katholiken im Umfeld des Bundesheers. Derzeit gibt es 17 Militärpfarren im Inland, die sich auf zwei Dekanatsbereiche – Ost und West – aufteilen.
Werner Freistetter hat nicht nur in seiner Kindheit viel Kontakt zum Bundesheer gehabt – sondern auch selbst gedient. Nach der Matura absolvierte er die Grundausbildung in der Rainerkaserne nahe Salzburg und meldete sich zum Einjährig-Freiwilligen-Jahr (EF). Im Zuge dessen kam er zum Panzerbataillon im niederösterreichischen Zwölfaxing. Was ihm das Heer gebracht hat? „Ich habe gelernt, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Im Falle einer Belagerung kann ich auch nicht im Wald sitzen bleiben“, erklärt er. Nach dem Abrüsten meldete er sich im Priesterseminar in Wien an. Über sein Theologiestudium, das ihn bis nach Rom führte, spricht er mit Begeisterung, der Blick schweift in die Ferne, hinaus aus dem Fenster im Büro. Offensichtlich hat er sich im Vatikan wohlgefühlt.
Den viel beschriebenen „Ruf Gottes“habe er vor seiner Weihe übrigens nicht vernommen, seine Entscheidung sei von Kindesbeinen an klar gewesen. In der Pubertät kam die große Krise: „Der Wunsch, Priester zu werden, wurde konterkariert durch das Interesse am anderen Geschlecht“, erinnert sich Freistetter. Nichtsdestotrotz: Das Interesse am Job in der Kirche war schließlich stärker als der Wunsch nach einer eigenen Familie.
Sein Elternhaus beschreibt der Geistliche als „sehr traditionell-katholisch“. Die Mutter hatte den Vater überzeugt, zu konvertieren, „denn einen Protestanten hätte sie sicher nicht geheiratet“. In eine kirchliche Laufbahn habe er sich zu keinem Zeitpunkt gedrängt gefühlt. Wenn Freistetter über seine Kirchenbesuche als Bub berichtet, spricht er über die Atmosphäre, die ihn fasziniert hat. Die Messfeier fand damals noch auf Latein statt, Gebete habe er als Volksschüler „Silbe für Silbe, wie ein Papagei“auswendig gelernt.
Nun, Jahrzehnte später, predigt er nicht auf Latein, sondern Deutsch. Diese Arbeit schätzen die, die zu ihm in den Gottesdienst kommen. Einer, der das bestätigen kann, ist Richard Weyringer. Er ist Pfarrer in der Salzburger Schwarzenbergkaserne, in der Seelsorgestelle Walserfeld und der zivilen Pfarre Hallwang. Die beiden Geistlichen kennen sich seit 2008. „In der Karwoche war Bischof Freistetter heuer zur Messe bei uns in Salzburg. Danach, am Mittagstisch in der Truppenküche, hat er sich mitten unter die Leute gemischt und sich für jeden Zeit genommen“, erzählt Weyringer. Er betreue seine Leute als Hirte gut, was man auch daran merke, dass er am Handy sofort abhebe und auf E-Mails schnell antworte. „Außerdem vergrößert er seinen Stab an Mitarbeitern nicht unnötig und vertraut, mit wem er eng zusammenarbeitet.“Dass Freistetter das Militär von Kindesbeinen an kenne, sei in seiner Arbeit erkennbar und klar von Vorteil.
Doch der Bischof, früher selbst Militärpfarrer, ist nicht nur in ganz Österreich unterwegs. Auch Besuche im Ausland stehen immer wieder auf dem Programm, denn sein Amt bringt einige Sonderrechte mit sich: So kann der Mann in dieser Position Seelsorgebereiche, umgangssprachlich als Pfarren bezeichnet, im Ausland errichten. Voraussetzung ist, dass Soldaten an diesem Ort im permanenten Einsatz sind. Das ist zum Beispiel im Kosovo so. Oder in Bosnien-Herzegowina. Seine dort nahe Sarajevo stationierten Landsleute besuchte Freistetter zuletzt Anfang März. Diese stehen seit Dezember 2004 unter dem Kommando EUFOR/Althea der Europäischen Union. Gemeinsam mit ihren Kameraden aus anderen Nationen unterstützen sie die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton.
Apropos Frieden: Wie kann ein Mann Gottes es moralisch verantworten, Einsätze im Kriegsfall zu befürworten? „Das Bundesheer ist dazu da, zu verhindern, dass Menschen sich Schmerz und Leid zufügen. Es geht um Schutz und Verteidigung. Soldaten schätzen Frieden am meisten, denn sie sehen bei ihren Einsätzen, was Krieg mit Menschen macht“, sagt Freistetter. Mit Gewalt auf Gewalt zu antworten und dabei auch Tote in Kauf nehmen zu müssen, sei legitim, wenn „niemand Rambo spielen will“, sondern Menschen geschützt werden müssten.
Österreichs Militärbischof erzählt mit Humor, dass er das Meiste direkt im Job lernte – und immer noch lernt. Als 2015 der Anruf aus der Nuntiatur kam mit der Information, dass Freistetter vom Vatikan zum Militärbischof ernannt wurde, gab es keinen Zweifel: „Wenn einen der Papst ernennt, ist Ablehnen keine Option. Da kann man nicht sagen, man möchte lieber Pfarrer bleiben.“
Entspannung von den Aufgaben findet er beim Thriller- oder Western-Schauen, Lesen, Wandern und Schwimmen. „Früher war ich begeisterter Taucher. Heute bin ich froh, dass ein Unteroffizier aus dem Heeressportzentrum mit mir Kraft und Ausdauer trainiert“, sagt er und lacht.