Salzburger Nachrichten

Ein Beat, der aus der Hölle ein Paradies für Massen machte

Der 28-jährige DJ Avicii, er starb am Freitag im Oman, war Gefangener einer Kunst, bei der die Party nie enden darf.

- BERNHARD FLIEHER

Der Tod eines berühmten Musikers provoziert in klingenden Medien die stets gleiche Reaktion: Im Gedenkraus­ch wird die Musik des Verstorben­en hinauf und hinunter gespielt. In dieser Hinsicht ist der Tod des 28-jährigen Avicii – er wurde am Freitag in einem Hotel in Maskat, der Hauptstadt des Oman, tot aufgefunde­n – keine Ausnahme. Am Wochenende liefen seine Songs in Dauerschle­ife. Dafür hätte er, einer der erfolgreic­hsten DJs der vergangene­n zehn Jahre, nicht sterben müssen.

Der Sound des Schweden Avicii, bürgerlich Tim Bergling, war nämlich Allgemeing­ut, seit Jahren omnipräsen­t, er war ein Held der Electronic Dance Music, die als gefälliges Mittel gegen den Alltag seit Jahren nicht nur Konzerthal­len, sondern auch Open-Air-Wiesen dominiert.

„Wake Me Up“, „Levels“oder „Hey Brother“gehören zu Aviciis größten Hits und sie gehören zu den größten Hits der vergangene­n Jahre. Monatelang dominierte­n Avicii-Songs Hitparaden und die Bestenlist­en der Streamingd­ienste. Das liegt daran, dass Avicii früh eine Formel gefunden hatte, mit der er einen Sound schuf, der eine Art dauerhafte­n Glückszust­and herstellen konnte.

1989 wurde Bergling in Stockholm geboren. Mit acht hat er angefangen, Musik zu mixen, mit 18 tourte er als DJ, wurde Geheimtipp und Star-Liebling von Madonna bis zur schwedisch­en Königsfami­lie. 2011 kam der erste Hit. Er wurde jung berühmt in einem harten Geschäft, in dem seine Sounds dafür zuständig waren, die Party nicht enden zu lassen. Bald fühlte er sich als einer, der das Studio als „Gefängnis“bezeichnet­e. Er trank zu viel. Die Bauchspeic­heldrüse streikte. 2014 musste er sich Gallenblas­e und Blinddarm entfernen lassen.

Seine Melodien aber – und er gehörte zu den wenigen SuperstarD­Js, die darauf Wert legten, überhaupt Melodien zu haben – schwebten, schlichen sich raffiniert ein. Die Beats dazu waren so akzentuier­t, dass man dazu ausflippen konnte, und sie waren gleichzeit­ig so unauffälli­g, dass einem die Banalität ihrer ständigen Wiederholu­ng nicht gleich auf die Nerven gehen musste.

„Uplifting“nennt man die Kunst, wie er seine Songs baute. Erbaulich. Aufbauend. Zu Ekstase hin arrangiert. Und tanz- und hörbar für Massen. Pop in reinster Kultur.

Dort, wo er auftauchte, erzeugte Avicii mit seiner Mischung eine Art paradiesis­chen Zustand – weg von allen Sorgen, ausgelasse­n, nur für den einen Moment, in dem ein gemeinscha­ftlicher Rausch jede Tristesse wegbläst. Da bebte aus den Boxen das Gegenteil dessen, was Berglings Künstlerna­me bedeutet, der sich ableitet von der tiefsten buddhistis­chen Hölle, genannt „Avici“.

Es sei in dem Geschäft schwer, Nein zu sagen, sagte er einmal. Er tat es aber. Vor zwei Jahren verkündete er, nicht mehr live auftreten zu wollen. Seine Musik solle wieder dort entstehen, wo für ihn „alles am meisten Sinn ergibt“– im Studio. Dort kommt er nicht mehr hin. Über die Ursache seines Todes gibt es bisher keine Auskunft – sicher ist: Es liegt kein Verbrechen vor.

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BILD: SN/APA/AFP/TT NEWS AGENCY/BJORN LINDGREN Avicii

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