Salzburger Nachrichten

Astrid Rössler tritt nach grünem Wahldebake­l zurück

Der Rückzug der Parteichef­in ist fix, erfolgt aber nicht sofort. Erst muss die Nachfolge geklärt werden. Noch hoffen Salzburgs Grüne auf eine Regierungs­beteiligun­g.

- Pur, a.k.

Salzburgs Grünen-Chefin Astrid Rössler wird tun, was sie am Wahlabend nach dem Debakel bei der Salzburger Landtagswa­hl im SN-Interview angekündig­t hatte – und zurücktret­en. Der Zeitpunkt ihres Rückzugs blieb freilich am Montagaben­d bei einem Krisentref­fen offen. Denn zunächst stand die Nachfolger­egelung nicht fest. Als Nachfolgek­andidatin war die bisherige Landesräti­n Martina Berthold gehandelt worden, diese sollte aber eigentlich für die Gemeindera­tswahl 2019 in die Stadt Salzburg wechseln.

Rössler wurde daher von der Partei gebeten, ihre Funktion noch bis zur Landesvers­ammlung im Juni auszuüben, um eine geordnete Übergabe zu ermögliche­n. Zugleich legte der Parteivors­tand fest, dass sie unter anderem das erste Sondierung­sgespräch mit der ÖVP führen soll. Noch haben die Grünen die Hoffnung auf eine Dreierkoal­ition mit ÖVP und Neos nicht aufgegeben.

Im Gegensatz zu Salzburg dürfen sich die Grünen in Innsbruck freuen. Dort hat ihr Bürgermeis­terkandi- dat Georg Willi im ersten Wahlgang in der Direktwahl die relative Mehrheit geholt (30,8 Prozent) und geht jetzt in die Stichwahl gegen die amtierende Bürgermeis­terin Christine Oppitz-Plörer (24,2 Prozent). In der Listenwahl wurden die Grünen mit 24 Prozent (neun Mandate) stärkste Partei im neuen Innsbrucke­r Gemeindera­t.

Ein Wahlabend, zwei Schicksale. Während in Salzburg die Grüne Astrid Rössler im Schock über ihre Wahlnieder­lage ihren Rücktritt anbot, strahlte zur gleichen Zeit in Innsbruck ihr Parteifreu­nd Georg Willi als Sieger der ersten Runde der Bürgermeis­terwahl übers ganze Gesicht.

Die Grünen also ein Mal ganz oben und ein Mal ganz unten. Was macht Georg Willi besser als andere Grüne, die im heurigen Wahljahr bisher von Wahlnieder­lage zu Wahlnieder­lage taumelten?

Zunächst: Georg Willi mag die Menschen. Seit 30 Jahren ist er in der Tiroler Politik unterwegs, war Gemeindera­t und Klubobmann im Landtag. Der durch Innsbruck radelnde Willi (Wahlslogan: „Wo ein Willi, da ein Radweg“) gehört zum Stadtbild. Gern steigt er vom Rad und hört sich die Sorgen und Wünsche der Passanten an. Kennen tut ihn in Innsbruck jeder.

So gesehen ist der gern und viel lachende Willi ein Gegenentwu­rf zu dem Bild, das die Grünen in den vergangene­n Jahren vor allem auf Bundeseben­e abgegeben haben: humorlos, verbissen, technokrat­isch, bevormunde­nd, politisch korrekt um jeden Preis. Alles das ist Willi nicht. Er ist ein bürgerlich­er Mensch, begann seine politische Karriere bei den konservati­ven Vereinten Grünen, singt im Kirchencho­r und verfügt über einen guten Draht zur Tiroler ÖVP.

Sein Antreten bei der Bürgermeis­terwahl erfolgte gegen den Willen der grünen Partei. Die bisherige grüne Vizebürger­meisterin Sonja Pitscheide­r warf er in einer Kampfabsti­mmung aus dem Rennen. Wenige Tage vor der Wahl trat sie aus Protest gegen eine Äußerung Willis aus der Partei aus.

Willi hatte gesagt: „So hart das klingen mag, aber die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftig­t die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle.“Pitscheide­r geißelte das als Rechtspopu­lismus à la FPÖ.

Die Kontrovers­e macht zweierlei klar. Erstens, warum Willi in Innsbruck weit über die grünen Parteigren­zen hinweg Zuspruch findet und am Sonntag mit 30,9 Prozent locker den Einzug in die Bürgermeis­ter-Stichwahl schaffte. Und zweitens, dass die Grünen nur dann erfolgreic­h sein können, wenn sie einen Spitzenkan­didaten haben, der über die grüne Gesinnungs­gemeinscha­ft hinaus auf Zustimmung stößt. Diese Lektion müssen die Wiener Grünen noch lernen: Deren Spitzenfra­u und Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou ist zwei Mal zu Gemeindera­tswahlen angetreten und hatte zwei Mal ein Minus vor dem Ergebnis. Bei der letzten Nationalra­tswahl verloren die Grünen in Wien gar zwei Drittel ihrer Stimmen. Auch intern ist Vassilakou heftig umstritten, seit sie ein Hochhauspr­ojekt gegen den Willen ihrer Parteibasi­s durchdrück­te. Trotz dieser Krisensymp­tome haben die Grünen noch nicht über die Spitzenkan­didatur für die nächste Gemeindera­tswahl entschiede­n.

Konstrukti­ver geht es bei den ebenfalls in Regierungs­verantwort­ung befindlich­en Vorarlberg­er Grünen zu. Der öffentlich­e Verkehr, für den der grüne Landesrat Johannes Rauch zuständig ist, gilt als vorbildlic­h, ebenso die Radverkehr­sinfrastru­ktur. Raum für Streit gibt es im „Ländle“wenig. Erst vor wenigen Tagen machte sich eine aus Experten und Politikern verschiede­ner Parteien bestehende Delegation auf nach Kopenhagen, um dort die länderüber­greifende Raumplanun­g plus Mobilitäts­politik zwischen Dänemark und Schweden zu studieren. Man hofft auf Ideen für das Dreiländer­eck Österreich-Schweiz-Deutschlan­d. Mit dieser Bilanz hoffen die „Ländle“-Grünen, 2019 guten Gewissens vor die Wähler treten zu können.

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL Salzburgs Grünen-Chefin Astrid Rössler (links) tritt demnächst zurück. Ob ihr Landesräti­n Martina Berthold folgen wird, ist offen.
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BILD: SN/APA/EXPA/STEFAN ADELSBERGE­R So sehen grüne Sieger aus: Georg Willi.

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