Rechts und links und die Wissenschaft vom Gähnen
Warum wir uns beim Gähnen die Hand vor den Mund halten und was das mit der Politik zu tun hat.
Ein relativ junges Feld des menschlichen Forscherdrangs ist die Chasmologie, die Wissenschaft vom Gähnen. Wenn führende Chasmologen zu einem Gähnkongress zusammentreffen, muss das sehr spannend sein: Am Beginn steht ein Impulsgähnen, dann folgt ein Vortrag „Die gähnende Leere unter besonderer Berücksichtigung der Oppositionspolitik der SPÖ“und am Ende werden Workshops für ausgefeilte Gähntechnik angeboten. Interessant!
Was die Chasmologie bislang leider nicht letztgültig klären konnte, ist die Frage, warum man gähnt. Dafür weiß man, weshalb sich die Menschen beim Gähnen die Hand vor den Mund halten: Es geschieht nicht etwa aus Höflichkeit, sondern ist die Folge eines uralten, tief im Menschen verwurzelten Aberglaubens. Früher war man überzeugt, dass einem beim Gähnen oder bei sonstiger extensiver Lippenspreizung böse Geister in den Mund fliegen. Deshalb hält man sich bis heute die Hand vor.
Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass Menschen, die pausenlos den Mund offen haben, von bösen Geistern bewohnt sind. Die Politiker, die ja berufsbedingt viel mit offenem Mund arbeiten, erscheinen damit nun in einem ganz neuen, bedenklichen Licht.
Als Hobby-Chasmologe kann man übrigens faszinierende Beobachtungen machen. Bei Symphoniekonzerten zum Beispiel wird man bemerken, dass in einem rasanten Allegro-Satz viel mehr gegähnt wird als bei einem ruhigen Andante. Denn da schlafen die Zuhörer ohnehin schon, und im Schlaf kann man bekanntlich nicht gähnen. Erwachen die selig Entschlummerten dann aus ihrem Konzert-Schläfchen, zählen sie in der Regel zu jenen, die am lautesten beklatschen, was sie gar nicht gehört haben. Aus schlechtem Gewissen?
Auch da bietet sich ein Umkehrschluss an: Die – gemessen am Applaus – erfolgreichsten Künstler wären demnach jene, die ihr Publi- kum am besten in den Schlaf wiegen. Auch diese Erkenntnis lässt politische Wahlsiege, wie sie am Sonntag gefeiert wurden, in einem völlig anderen Licht erscheinen.
Übrigens hat der Wahlsonntag endlich die ewige Frage der Menschheit geklärt, was in der Politik eigentlich links und rechts bedeutet. Denn in Innsbruck trat wenige Tage vor der Wahl eine grüne Politikerin aus der Partei aus, weil ihr interner Konkurrent gesagt hatte: „Die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftigt die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle.“Das sei „rechter Sprachgebrauch à la FPÖ“, befand die Grüne und verließ empört die Partei. Seither weiß man: Rechts ist, wer unter einem Dach wohnt. Links ist, wer sich unter der Brücke auf die Homo-Ehe legt und mit dem Binnen-I zudeckt.