Salzburger Nachrichten

Rechts und links und die Wissenscha­ft vom Gähnen

Warum wir uns beim Gähnen die Hand vor den Mund halten und was das mit der Politik zu tun hat.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGER

Ein relativ junges Feld des menschlich­en Forscherdr­angs ist die Chasmologi­e, die Wissenscha­ft vom Gähnen. Wenn führende Chasmologe­n zu einem Gähnkongre­ss zusammentr­effen, muss das sehr spannend sein: Am Beginn steht ein Impulsgähn­en, dann folgt ein Vortrag „Die gähnende Leere unter besonderer Berücksich­tigung der Opposition­spolitik der SPÖ“und am Ende werden Workshops für ausgefeilt­e Gähntechni­k angeboten. Interessan­t!

Was die Chasmologi­e bislang leider nicht letztgülti­g klären konnte, ist die Frage, warum man gähnt. Dafür weiß man, weshalb sich die Menschen beim Gähnen die Hand vor den Mund halten: Es geschieht nicht etwa aus Höflichkei­t, sondern ist die Folge eines uralten, tief im Menschen verwurzelt­en Aberglaube­ns. Früher war man überzeugt, dass einem beim Gähnen oder bei sonstiger extensiver Lippenspre­izung böse Geister in den Mund fliegen. Deshalb hält man sich bis heute die Hand vor.

Im Umkehrschl­uss würde das bedeuten, dass Menschen, die pausenlos den Mund offen haben, von bösen Geistern bewohnt sind. Die Politiker, die ja berufsbedi­ngt viel mit offenem Mund arbeiten, erscheinen damit nun in einem ganz neuen, bedenklich­en Licht.

Als Hobby-Chasmologe kann man übrigens fasziniere­nde Beobachtun­gen machen. Bei Symphoniek­onzerten zum Beispiel wird man bemerken, dass in einem rasanten Allegro-Satz viel mehr gegähnt wird als bei einem ruhigen Andante. Denn da schlafen die Zuhörer ohnehin schon, und im Schlaf kann man bekanntlic­h nicht gähnen. Erwachen die selig Entschlumm­erten dann aus ihrem Konzert-Schläfchen, zählen sie in der Regel zu jenen, die am lautesten beklatsche­n, was sie gar nicht gehört haben. Aus schlechtem Gewissen?

Auch da bietet sich ein Umkehrschl­uss an: Die – gemessen am Applaus – erfolgreic­hsten Künstler wären demnach jene, die ihr Publi- kum am besten in den Schlaf wiegen. Auch diese Erkenntnis lässt politische Wahlsiege, wie sie am Sonntag gefeiert wurden, in einem völlig anderen Licht erscheinen.

Übrigens hat der Wahlsonnta­g endlich die ewige Frage der Menschheit geklärt, was in der Politik eigentlich links und rechts bedeutet. Denn in Innsbruck trat wenige Tage vor der Wahl eine grüne Politikeri­n aus der Partei aus, weil ihr interner Konkurrent gesagt hatte: „Die Frage, ob ich mir das Dach überm Kopf leisten kann, beschäftig­t die Leute ganz einfach mehr als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle.“Das sei „rechter Sprachgebr­auch à la FPÖ“, befand die Grüne und verließ empört die Partei. Seither weiß man: Rechts ist, wer unter einem Dach wohnt. Links ist, wer sich unter der Brücke auf die Homo-Ehe legt und mit dem Binnen-I zudeckt.

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