Salzburger Nachrichten

Protest zwingt Armeniens Premier zum Gehen

Sersch Sargsjan reagierte auf die Forderung der Demonstran­ten und trat zurück.

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Erst die Freilassun­g des Opposition­sführers Nikol Paschinjan, einige Minuten später der Rücktritt des armenische­n Premiers Sersch Sargsjan. Nach tagelangen Protesten überschlug­en sich am Montag die Ereignisse in Jerewan.

„Nikol hatte recht, ich war im Unrecht“, schrieb Sargsjan in seiner kurzen Rücktritts­erklärung. Wie es in dem Land im Südkaukasu­s politisch weitergeht, teilte Präsident Armen Sarkissjan bislang nicht mit. Es könnte bald zu Neuwahlen kommen.

Sargsjan war vor zwei Wochen noch Präsident des armen, von Russland abhängigen Landes. Als solcher hatte er vor knapp drei Jahren eine Verfassung­sänderung angeregt, die aus Armenien eine parlamenta­rische Republik machte. „Ich bin davon überzeugt, dass eine Person nicht mehr als zwei Mal in ihrem Leben das Steuer der Macht in Armenien ergreifen sollte“, hatte er damals gesagt. Dann aber war es Sargsjan selbst, der das Steuer nicht aus der Hand geben wollte. Vergangene­n Dienstag war er vom Parlament zum Ministerpr­äsidenten gewählt worden und hatte damit dank seiner Reform weiter die Befugnisse, die er als Präsident hatte. Armen Sarkissjan, der neue Präsident, bekam nur noch symbolisch­e Macht.

Diese Unverfrore­nheit trieb die Menschen auf die Straße. Quer durch Armenien blockierte­n Zehntausen­de die Straßen und forderten den Rücktritt Sargsjans. Immer wieder betonten sie, weder prorussisc­h noch proeuropäi­sch zu sein. Sie handelten, so sagten sie, „im nationalen Interesse“.

Während sich Sargsjans Weggefährt­en wichtige Branchen wie Kupferabba­u oder Mobilfunk gesichert haben, leben die meisten der drei Millionen Armenier in Armut. Die Protestwel­le zeigt, wie satt sie es haben, von der Politik nicht ernst genommen zu werden. Auch zahlreiche Festnahmen von Aktivisten brachten sie nicht davon ab, gegen die Vetternwir­tschaft und Korruption aufzubegeh­ren, die sie mit der Ära Sargsjan verbinden.

Ein Treffen mit seinem Widersache­r Paschinjan hatte Sargsjan am Sonntag nach nur zwei Minuten abgebroche­n. Am Montag aber gestand er ein, Fehler gemacht zu haben: „Ich gehe auf eure Forderung ein und wünsche unserem Land Frieden, Harmonie und Vernunft“, schrieb er.

Heute, Dienstag, feiern die Armenier ihren nationalen Gedenktag an den Genozid. Zwischen 1915 und 1916 waren bis zu 1,5 Millionen Armenier vom Osmanische­n Reich getötet worden. Viele Armenier hatten auf das Datum gesetzt. Hatten gehofft, es werde besänftige­nd wirken. Befreiend. Sie hatten recht.

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BILD: SN/AP Kurzes Treffen am Sonntag: Premier Sargsjan und Opposition­sführer Paschinjan.

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