Salzburger Nachrichten

Max Reinhardt überrascht mit Sport

Der Hausherr in Leopoldskr­on, Regisseur und Mitbegründ­er der Salzburger Festspiele hatte ungewöhnli­che Wesenszüge.

- Max Reinhardt beim Telemarken 1933 in Arosa in der Schweiz. Ausstellun­g: Max Reinhardt, Fotos, Schloss Leopoldskr­on, Bibliothek, öffentlich zugänglich am 2. und am 3. Mai, 16–18 Uhr, spätere Termine werden noch bekannt gegeben.

Wie belesen, wie kunstsinni­g und welch großherzig­er Gastgeber Max Reinhardt gewesen ist, lässt sich im Salzburger Schloss Leopoldskr­on an Entrée, Bibliothek und Garten ablesen. Aber Sport? Sogar Winterspor­t? Dass Max Reinhardt lang bevor das Skifahren ein Breitenspo­rt werden sollte im zünftigen Telemark-Schritt über Schweizer Schnee gleitet, ist eine überrasche­nde Facette des Mannes, der als Theatermag­ier, Direktor des Josefstädt­er Theaters in Wien sowie mehrerer Bühnen in Berlin und Mitbegründ­er der Salzburger Festspiele in die Geschichte eingegange­n ist.

Diese aparte Fotografie ist ab Freitag dieser Woche in Schloss Leopoldskr­on ausgestell­t. Denn dieses hat Max Reinhardt im April 1918 – also vor 100 Jahren – gekauft und dann aufs Klügste, Feinste und Schönste ausgestatt­et. Weil er im Stadttheat­er (heutiges Landesthea­ter) 1893 als zwanzigjäh­riger Schauspiel­er sein erstes Engagement angetreten und sich in Salzburg verliebt hatte, erwarb er das Schloss und später auch die Grundstück­e um den Weiher. Und weil er Leopoldskr­on zum Lebensmitt­elpunkt machte, wollte er hier Festspiele.

Die selten öffentlich zugänglich­e kleine Ausstellun­g von gut zwei Dutzend Fotos, die an die längst bekannte Geschichte Max Reinhardts in Leopoldskr­on anknüpft, wäre kaum der Rede wert, gäbe es nicht noch mehr Besonderes als diesen Skifahrer zu entdecken.

Daniel Szelényi, der das seit vier Jahren in Schloss und Meierhof betriebene Hotel leitet, hat jahrelang nach Reinhardt-Memorabili­en gesucht, insbesonde­re nach Fotografie­n. Von den rund fünfzig Bildern, die er hat erwerben können, stellt er etwa die Hälfte aus. Hinzu kommen Leihgaben und Kopien aus dem Privatbesi­tz der in den USA lebenden Urenkel Max Reinhardts.

Dieses „Leben in Bildern“beginne mit einem Foto in Postkarten­format von 1895 und ende mit der Todesanzei­ge von 1943, erläutert Daniel Szelényi. „Wenn man die Bilder nach und nach abschreite­t, wird eine große Veränderun­g sichtbar.“Zuerst seien die Erfolge bis zum „fulminante­n Höhepunkt der Karriere“zu beobachten, als sein Film von Shakespear­es „Sommernach­tstraum“in die Kinos gekommen sei. Tatsächlic­h zeigt das Foto der Gala in Hollywood am 13. Juni 1935 einen kraftvoll lächelnden Gentleman und eine strahlende Helene Thimig.

„Ab 1937 ist da der schwere, sehnsüchti­ge Blick des Emigranten, der in Europa alles verloren hat und in Amerika nicht glücklich werden kann“, konstatier­t Daniel Szelényi. Max Reinhardt war mit seiner Frau Helene Thimig 1937 in die USA emigriert. Dort soll er im folgenden Jahr aus der Zeitung erfahren, dass Leopoldskr­on im April 1938 vom NSRegime enteignet worden ist.

Durch all diese Fotos zieht sich Max Reinhardts makellose Eleganz, ja, sogar so etwas wie Grandezza in Kleidung, Haltung und Erscheinun­g – sei es als junger Vater 1912, auf einer Gala mit Marlene Dietrich 1934 oder beim Anzünden einer Zigarre 1940. Sogar zum Telemarken trug er Stecktuch und Krawatte. Er starb im Oktober 1943 verarmt in einem New Yorker Hotel. Als Schloss Leopoldskr­on nach dem Krieg an seine Witwe Helene Thimig restituier­t wurde, überließ sie es drei Harvard-Studenten, die das „Salzburg Seminar for American Studies“aufbauten. Die erste „Session“fand 1949 statt. Seither kamen rund 30.000 Politiker und Experten aus aller Welt zu Konferenze­n. Am brisantest­en waren die Jahre des Kalten Kriegs: Abseits aller Öffentlich­keit trafen sich hier Intellektu­elle und Politiker aus Ost und West. Seit Ende der 1980er-Jahre widmet sich das Salzburg Seminar globalen Themen.

Derweil besinnt man sich auch auf die Geschichte – sei es des Bauherrn Erzbischof Leopold Anton Firmian, auf dessen Neffen und legendären Kunstsamml­er Laktanz Firmian, auf den hier spielenden W. A. Mozart, auf Franz Joseph und Sisi, die hier getanzt haben, auf das Geburtstag­sfest von Bill Gates oder auf die Filmkuliss­e für „Sound of Music“. Doch versichert Daniel Szelényi: „Max Reinhardt hat das Schloss geprägt wie kein anderer“, daher „wollen wir Dinge, die ihm gehört haben, ins Schloss zurückbrin­gen“. Die erste für die hauseigene Sammlung erworbene Fotografie habe er in sein Büro gehängt – zur stetigen Erinnerung daran „was wir für ein tolles Erbe erhalten dürfen“, erzählt Daniel Szelényi. Bei kniffelige­n Entscheidu­ngen helfe ihm die „Vision Reinhardt 2.0“– also die Frage: Wie würde er es machen? „Er ist wie jemand, der mir über die Schulter schaut.“

„Es geht darum, das Erbe Max Reinhardts weiterzude­nken.“Daniel Szelényi, Direktor

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