Max Reinhardt überrascht mit Sport
Der Hausherr in Leopoldskron, Regisseur und Mitbegründer der Salzburger Festspiele hatte ungewöhnliche Wesenszüge.
Wie belesen, wie kunstsinnig und welch großherziger Gastgeber Max Reinhardt gewesen ist, lässt sich im Salzburger Schloss Leopoldskron an Entrée, Bibliothek und Garten ablesen. Aber Sport? Sogar Wintersport? Dass Max Reinhardt lang bevor das Skifahren ein Breitensport werden sollte im zünftigen Telemark-Schritt über Schweizer Schnee gleitet, ist eine überraschende Facette des Mannes, der als Theatermagier, Direktor des Josefstädter Theaters in Wien sowie mehrerer Bühnen in Berlin und Mitbegründer der Salzburger Festspiele in die Geschichte eingegangen ist.
Diese aparte Fotografie ist ab Freitag dieser Woche in Schloss Leopoldskron ausgestellt. Denn dieses hat Max Reinhardt im April 1918 – also vor 100 Jahren – gekauft und dann aufs Klügste, Feinste und Schönste ausgestattet. Weil er im Stadttheater (heutiges Landestheater) 1893 als zwanzigjähriger Schauspieler sein erstes Engagement angetreten und sich in Salzburg verliebt hatte, erwarb er das Schloss und später auch die Grundstücke um den Weiher. Und weil er Leopoldskron zum Lebensmittelpunkt machte, wollte er hier Festspiele.
Die selten öffentlich zugängliche kleine Ausstellung von gut zwei Dutzend Fotos, die an die längst bekannte Geschichte Max Reinhardts in Leopoldskron anknüpft, wäre kaum der Rede wert, gäbe es nicht noch mehr Besonderes als diesen Skifahrer zu entdecken.
Daniel Szelényi, der das seit vier Jahren in Schloss und Meierhof betriebene Hotel leitet, hat jahrelang nach Reinhardt-Memorabilien gesucht, insbesondere nach Fotografien. Von den rund fünfzig Bildern, die er hat erwerben können, stellt er etwa die Hälfte aus. Hinzu kommen Leihgaben und Kopien aus dem Privatbesitz der in den USA lebenden Urenkel Max Reinhardts.
Dieses „Leben in Bildern“beginne mit einem Foto in Postkartenformat von 1895 und ende mit der Todesanzeige von 1943, erläutert Daniel Szelényi. „Wenn man die Bilder nach und nach abschreitet, wird eine große Veränderung sichtbar.“Zuerst seien die Erfolge bis zum „fulminanten Höhepunkt der Karriere“zu beobachten, als sein Film von Shakespeares „Sommernachtstraum“in die Kinos gekommen sei. Tatsächlich zeigt das Foto der Gala in Hollywood am 13. Juni 1935 einen kraftvoll lächelnden Gentleman und eine strahlende Helene Thimig.
„Ab 1937 ist da der schwere, sehnsüchtige Blick des Emigranten, der in Europa alles verloren hat und in Amerika nicht glücklich werden kann“, konstatiert Daniel Szelényi. Max Reinhardt war mit seiner Frau Helene Thimig 1937 in die USA emigriert. Dort soll er im folgenden Jahr aus der Zeitung erfahren, dass Leopoldskron im April 1938 vom NSRegime enteignet worden ist.
Durch all diese Fotos zieht sich Max Reinhardts makellose Eleganz, ja, sogar so etwas wie Grandezza in Kleidung, Haltung und Erscheinung – sei es als junger Vater 1912, auf einer Gala mit Marlene Dietrich 1934 oder beim Anzünden einer Zigarre 1940. Sogar zum Telemarken trug er Stecktuch und Krawatte. Er starb im Oktober 1943 verarmt in einem New Yorker Hotel. Als Schloss Leopoldskron nach dem Krieg an seine Witwe Helene Thimig restituiert wurde, überließ sie es drei Harvard-Studenten, die das „Salzburg Seminar for American Studies“aufbauten. Die erste „Session“fand 1949 statt. Seither kamen rund 30.000 Politiker und Experten aus aller Welt zu Konferenzen. Am brisantesten waren die Jahre des Kalten Kriegs: Abseits aller Öffentlichkeit trafen sich hier Intellektuelle und Politiker aus Ost und West. Seit Ende der 1980er-Jahre widmet sich das Salzburg Seminar globalen Themen.
Derweil besinnt man sich auch auf die Geschichte – sei es des Bauherrn Erzbischof Leopold Anton Firmian, auf dessen Neffen und legendären Kunstsammler Laktanz Firmian, auf den hier spielenden W. A. Mozart, auf Franz Joseph und Sisi, die hier getanzt haben, auf das Geburtstagsfest von Bill Gates oder auf die Filmkulisse für „Sound of Music“. Doch versichert Daniel Szelényi: „Max Reinhardt hat das Schloss geprägt wie kein anderer“, daher „wollen wir Dinge, die ihm gehört haben, ins Schloss zurückbringen“. Die erste für die hauseigene Sammlung erworbene Fotografie habe er in sein Büro gehängt – zur stetigen Erinnerung daran „was wir für ein tolles Erbe erhalten dürfen“, erzählt Daniel Szelényi. Bei kniffeligen Entscheidungen helfe ihm die „Vision Reinhardt 2.0“– also die Frage: Wie würde er es machen? „Er ist wie jemand, der mir über die Schulter schaut.“
„Es geht darum, das Erbe Max Reinhardts weiterzudenken.“Daniel Szelényi, Direktor