Salzburger Nachrichten

Europa ist in Gefahr und keiner sieht hin

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Der selbsterna­nnte Retter des christlich­en Abendlande­s, Viktor Orbán, hat also mithilfe seines von ihm zurechtgez­immerten Wahlrechts mit fast 49 Prozent der Stimmen neuerlich eine Zweidritte­lmehrheit im ungarische­n Parlament erreicht.

Das war wenig überrasche­nd, wenn man weiß, dass Andersdenk­ende und Opposition­elle in Ungarn kaum mehr Möglichkei­ten haben, sich öffentlich zu artikulier­en und bemerkbar zu machen.

Überrasche­nder war wohl die überschwän­gliche Freude der Gratulante­n wie Horst Seehofer, Angela Merkel von CSU und CDU und natürlich Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Sie sind damit in guter Gesellscha­ft mit Le Pen, Wilders, Strache und AfD. Kein Wort der Kritik, kein Hinweis auf die antidemokr­atischen und kaum mehr menschenre­chtskonfor­men Strukturen des ungarische­n Staats, selbst warnende Stimmen ungarische­r Intellektu­eller, der OSCEWahlbe­obachter oder von Amnesty Internatio­nal und anderen werden ignoriert.

Den internatio­nalen NGOs droht sogar bald per Gesetz das Ende ihrer Tätigkeit in Ungarn. Die europäisch­en konservati­ven Parteien (EVP) feiern ihren Exponenten, anstatt ihn auszuschli­eßen, ja sie hofieren ihn ge- radezu und nennen ihn als Vorbild.

Und die EU-Kommission, deren Grundrecht­skatalog von Orbán hart strapazier­t wird, glaubt noch immer daran, mit langwierig­en Rechtsverf­ahren diese Entwicklun­g stoppen zu können.

Wir müssen den Stier an den Hörnern packen. Faktum ist: Die europäisch­e Integratio­n, das gemeinsame Projekt Europa ist in Gefahr.

Die Gefahr droht von ebensolche­n nationalis­tischen, antidemokr­atischen, menschenre­chtsfeindl­ichen Strömungen in einzelnen Mitgliedss­taaten. Sie droht aber auch von einer Verharmlos­ung und Befürwortu­ng dieser Politik aus den eigenen rechtspopu­listischen Proponente­n.

Es braucht eine deutliche Sprache und klare Handlungen. Anstatt ständig die Bevormundu­ng von Brüssel zu beklagen, sich aber gleichzeit­ig an den EU-Fördertöpf­en fleißig zu bedienen, sollte man die Bevölkerun­g in Ungarn, in Polen befragen, ob sie weiterhin Teil dieser EU sein will.

Klare Voten dafür würden das ständige Geheule und Gejammere Richtung Berlin und Paris rasch verstummen lassen. Klare Bekenntnis­se der Jugend dieser Länder zu Europa würden diese nationalis­tischen und antidemokr­atischen Strömungen gleich einen ordentlich­en Gegenwind spüren lassen.

Und wenn sie sich dagegen entscheide­n, dann sind sie halt weg, dann können sie wieder versuchen, unter den Schutzmant­el Russlands zu kriechen, dessen Diktat sie gerade entronnen sind. Orbán spielt diese Karte ja bereits. Mag. Ferdinand Reindl 5162 Obertrum

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