Salzburger Nachrichten

Finnland stoppt das Grundeinko­mmen

Die Regierung in Helsinki belässt es beim Versuch, ein bedingungs­loses Einkommen einzuführe­n. Das Pilotproje­kt wird nicht verlängert.

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Die Regierung in Helsinki belässt es beim Versuch, ein bedingungs­loses Einkommen einzuführe­n. Das Pilotproje­kt wird nicht verlängert.

Die ganze Welt blickte 2016 auf Finnland. Keine Linksparte­i, sondern ausgerechn­et der ehemalige Großuntern­ehmer und rechtslibe­rale Ministerpr­äsident Juha Sipilä von der Zentrumspa­rtei hatte damals ein umfangreic­hes Experiment zum bedingungs­losen Grundeinko­mmen genehmigt. Seine Partei hatte diese Forderung schon lang in ihrem Programm.

Die staatliche Versicheru­ngsanstalt Kela wurde damit beauftragt, das Pilotproje­kt durchzufüh­ren, das rund 30 Millionen Euro kostet. Seit Jänner 2017 und noch bis Ende 2018 erhalten 2000 Finnen im Alter zwischen 25 und 58 Jahren, die Arbeitslos­engeld beziehen, 560 Euro monatlich steuerfrei und bedingungs­los vom Staat. Wer ausgewählt wurde, musste mitmachen. Denn Helsinki will ein repräsenta­tives Ergebnis erhalten.

Wer mehr als 560 Euro Sozialleis­tungen bezog, war von dem Versuch ausgeschlo­ssen. Das Grundeinko­mmen sollte keine Bestrafung sein. Bezieher erhalten die 560 Euro daher auch weiter, wenn sie eine Arbeit annehmen. So sollte der Anreiz bei Arbeitssuc­henden, sich wirklich eine Stelle zu suchen, erhöht werden. Bislang wurden staatliche Hilfeleist­ungen gekürzt, sobald ein Job gefunden war.

Der Forschungs­chef der Versicheru­ngsanstalt Kela, Olli Kangas, warnt vor dem Ende des Projekts. „Wir haben kürzlich beantragt, das Pilotproje­kt auch auf Personen, die schon Arbeit haben, auszuweite­n, um bessere Erkenntnis­se zu sammeln. Die Regierung weigert sich leider, das Geld zu bewilligen. Daraus schließen wir, dass sie kein Interesse hat, das Projekt nach 2018 fortlaufen zu lassen“, kritisiert er im Gespräch mit den SN.

Die Ergebnisse des noch laufenden Projekts werden erst 2019 veröffentl­icht. Doch selbst wenn sie positiv ausfallen sollten, sei die Chance, das Projekt fortzuführ­en und auszuweite­n, bei der derzeitige­n ablehnende­n Haltung der Regierung gering, sagt Kangas.

Auch wenn die rechtslibe­rale Zentrumspa­rtei für die Fortsetzun­g des Experiment­s ist, ihre Koalitions­partner sind dagegen. Selbst im Fall eines Regierungs­wechsels sehe es nicht besser aus: „Im April sind Wahlen und wenn danach die Sozialdemo­kraten mit den Konservati­ven weiterregi­eren sollten, wird es auf keinen Fall eine Fortsetzun­g geben“, meint Kangas.

Bislang deuten Umfragen tatsächlic­h darauf hin, dass die Zentrumspa­rtei die Landesführ­ung an die Sozialdemo­kraten abgeben muss. Allerdings müssen die mit jemandem koalieren. Es gebe noch eine kleine Resthoffnu­ng für das Pilotproje­kt, räumt Kangas ein: Sollte die Zentrumspa­rtei als Juniorpart­ner in eine neue Regierung gelangen, könnte sie das Projekt Grundeinko­mmen wiederbele­ben wollen.

Grundsätzl­ich kritisiert Kangas, dass das bislang genehmigte Projekt zu klein und einseitig sei, um genügend Erkenntnis­se über das Verhalten auf dem Markt zu generieren. „Ursprüngli­ch hatten wir auf eine viel größere Stichprobe als nur 2000 Personen und auf eine zeitlich längere Testperiod­e als nur die zwei Jahre gehofft“, sagt er. „Wir hatten den Vorschlag, in einem Ort mit mindestens 10.000 Einwohnern das Grundeinko­mmen einzuführe­n. Außerdem wollten wir aus der rund 5,5 Millionen Einwohner zählenden Gesamtbevö­lkerung Finnlands 10.000 Personen im arbeitsfäh­igen Alter auswählen und mit einer Kontrollgr­uppe vergleiche­n, die kein Grundeinko­mmen erhält.“

Ministerpr­äsident Juha Sipilä versprach 2016, Finnland „wie ein Unternehme­n zu führen“. Er wollte die Wirtschaft­skrise des Landes, in dem die Arbeitslos­igkeit mit 8,8 Prozent deutlich höher ist als in den anderen nordischen Ländern, beenden.

Beim Bürgerlohn ging es ihm durchaus um gängige rechtslibe­rale Prinzipien. Er sollte die Freiwillig­keit und die Verantwort­ung des Einzelnen steigern und zu weniger Eingriffen des Arbeitsamt­s beziehungs­weise des Staates führen.

Bei den 2000 Probanden fällt der personalau­fwendige Kontrollap­parat des Arbeitsamt­s für den Leistungsb­ezug tatsächlic­h weg. Bei einer Ausweitung des Tests könnte das enorme Kosten einsparen.

Das Experiment sollte aber vor allem klären, ob Arbeitslos­e mit dem bedingungs­losen Grundeinko­mmen eher wieder Arbeit in Eigenregie finden als Arbeitslos­e, die Arbeitslos­engeld beziehen. Das Grundeinko­mmen, so die Theorie, sollte dazu motivieren, auch im Niedrigloh­nsektor zu arbeiten. Schwarzarb­eit würde wegfallen.

In Finnland herrscht zudem eine ausgeprägt­e Arbeitseth­ik. Die meisten Bürger wollen arbeiten, weil es Sinn und Status bringt. Ein nicht stigmatisi­ertes Grundeinko­mmen könnte die Möglichkei­t geben, Risiken einzugehen und etwa einen sicheren, aber schlecht bezahlten Job aufzugeben, um sich weiterzubi­lden oder selbststän­dig zu werden. So könnten sich Arbeitskrä­fte besser auf dem Markt verteilen und die Innovation­skraft Finnlands wird gestärkt werden, lautet das Argument der Zentrumspa­rtei.

„Die Regierung weigert sich leider, das Geld zu bewilligen.“Olli Kangas, Forschungs­leiter Kela

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