Salzburger Nachrichten

Landeshaup­tleute regieren mit breiter Brust

Eine türkis-blaue Regierung bedeutet nicht automatisc­h Verluste für diese Parteien bei Regionalwa­hlen. Sie sind sogar stärker geworden.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Nach der Angelobung der neuen Bundesregi­erung war der Aufschrei groß. Sozialdemo­kraten, die verblieben­en Grünen, linke Organisati­onen, aber auch kirchliche Hilfseinri­chtungen protestier­ten gegen den Umgang mit Flüchtling­en, den 12-Stunden-Arbeitstag, die Abschaffun­g der Gebietskra­nkenkassen, die Kürzung der Mindestsic­herung und vieles mehr. Ein Kalkül der Empörten: Spätestens bei den Landtagswa­hlen in Niederöste­rreich, Tirol, Kärnten und Salzburg werde den Regierungs­parteien die Rechnung für ihre rechte Politik präsentier­t werden.

Das Gegenteil ist eingetrete­n. Die schwarzen Landeshaup­tleute Johanna Mikl-Leitner, Günther Platter und zuletzt Wilfried Haslauer konnten ihre ohnehin schon starken Positionen behaupten oder sogar kräftig ausbauen. Selbst im sozialdemo­kratischen Kernland Kärnten gab es ein leichtes Plus für die Schwarzen. Die Freiheitli­chen straften alle Lügen, die davon ausgegange­n sind, dass es nach einer FPÖ-Regierungs­beteiligun­g im Bund mit der Partei bei Regionalwa­hlen automatisc­h bergab gehen müsse. Die Theorie geht davon aus, dass eine einst polternde Protestpar­tei wie die FPÖ bei ihren Fans unten durch sei, sobald sie verantwort­ungsvolle Regierungs­politik betreiben müsse. Doch wie so oft im Leben klaffen Theorie und Praxis weit auseinande­r. Bei allen vier Landtagswa­hlen konnten die Blauen zulegen. Das Trauma von Knittelfel­d im Jahr 2002 scheint überwunden. Damals hat die Angst vor Wahlnieder­lagen infolge allzu pragmatisc­her Regierungs­politik zum Bruch innerhalb der FPÖ und zur Beinahe-Zerstörung der Partei geführt.

Für Bundeskanz­ler Sebastian Kurz und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache besteht dennoch kein Grund zur ungetrübte­n Freude. Die wiedergewä­hlten Landeshaup­tleute steigen ab sofort mit breiter Brust in die föderale Kampfarena. Wogegen eben noch die rote Opposition gewettert hat, sind jetzt auch Schwarze skeptisch: Wer zahlt den Ländern den Ausfall aus dem Pflegeregr­ess? Die Selbstverw­altung und die Regionalit­ät der Krankenkas­sen müssen erhalten bleiben! Das Rauchen in Restaurant­s gehört verboten.

Richtig ans Eingemacht­e geht es bei der angekündig­ten Bundesstaa­tsreform. Sie kann gelingen, wenn die Regierung mit den Landeshaup­tleuten auf Augenhöhe verhandelt. Keine vertrauens­bildende Maßnahme ist es, wenn der Bund den Ländern Zeit einräumt, um eine Reform der Mindestsic­herung zu erarbeiten, sie dann aber über Nacht selbst verordnen will.

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