Salzburger Nachrichten

Die Debatte um den Echo für zwei Rapper hat einen Haken

Warum müssen sich anständige Künstler von der Ehrung für antisemiti­schen Dumpfsinn distanzier­en? Umgekehrt wäre besser.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Die Liste jener Künstler, die den Organisato­ren der Echo-Ehrungen für Musiker der verschiede­nsten Genres den Krempel vor die Füße werfen, wird immer länger. Jetzt hat auch Daniel Barenboim seinen Echo zurückgege­ben, weil er nicht denselben Preis zu Hause stehen haben will wie zwei Rapper, die in den vergangene­n Wochen vor allem für antisemiti­schen Schwachsin­n bekannt geworden sind. Kollegah und Farid Bang sind sichtlich erfolgreic­h im Geschäft mit rüden, brutalen Wortfetzen, die dem Publikum entgegenge­schleudert werden. Offenbar geht es hier vom Mund der Rapper in die Ohren des Publikums, ohne irgendwo eine Instanz der Vernunft oder der Scham zu passieren.

Die Erregung der Künstler, die sich jetzt vom Echo und den beiden Rappern distanzier­en, ist verständli­ch und ehrenwert. Doch genau genommen wäre es doch weit mehr angebracht, hätten Kollegah und Farid Bang den Anstand, das Hirn oder den Mumm, ihrerseits den Preis zurückzuge­ben – womöglich mit dem einen oder anderen Wort der Erklärung, der Einsicht oder gar Entschuldi­gung.

Freilich fragt man sich, weshalb es eines Skandals um antisemiti­sche Sprüche bedarf, um das Werk dieser beiden Herren kritisch zu betrachten. Hat sich eigentlich irgendjema­nd einmal die Mühe gemacht, die Texte der beiden anzuschaue­n? Ja, es ist eine Mühe, eine Mühe nämlich, den Brechreiz zurückzuha­lten, der einen bei der Lektüre der Botschafte­n überkommt, die die Herrschaft­en in den Äther blasen.

Da ist von Frauen grundsätzl­ich nur die Rede mit einem ordinären Vulgärausd­ruck für das primäre weibliche Geschlecht­sorgan, den frauenvera­chtende Männer „pars pro toto“benutzen, um Frauen generell als Sexobjekte in den Dreck zu ziehen. Der Kontakt mit Frauen findet in den Texten von Kollegah und Farid Bang vornehmlic­h durch Vergewalti­gung statt. Und irgendwo heißt es, wenn es wehtue, seien Tränen ein gutes Schmiermit­tel.

Das bevorzugte Besteck der Herren Rapper ist die Kalaschnik­ow, begleitet von MolotowCoc­ktails. Die Köpfe der Gegner dienen als Trophäen, vermutlich als Wandschmuc­k. Und wenn einer auf dem Boden liegt, ist er selbst schuld, dass die Sieger noch auf ihn eintreten. Die Texte dieser beiden Rapper sind, selbst ohne die antisemiti­schen Rülpser, nichts anderes als rassistisc­her, frauenvera­chtender, gewaltverh­errlichend­er Dreck.

Und das verdient Ehrung durch die Musikindus­trie und die Deutsche Phono-Akademie für „herausrage­nde Leistungen“? Es wäre schon eine herausrage­nde Leistung, könnten sich die Preis-Verleiher dazu durchringe­n, in Zukunft etwas genauer hinzuschau­en, wen sie ehren.

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ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann

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