Salzburger Nachrichten

Wiener Bürgertum im Dienste Europas

Philipp Schulmeist­er ist im EU-Parlament nicht wegen seines Namens bekannt. Er fühlt den Europäern wahlbeding­t den Puls.

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Sein Großvater Otto war legendärer Chefredakt­eur und Herausgebe­r der „Presse“, sein Vater Paul viele Jahre Korrespond­ent und Auslandsch­ef des ORF, sein Onkel Stephan ist ein nicht unbekannte­r Ökonom in Österreich und eine seiner Tanten berühmtes Mitglied der einstigen Mühl-Kommune. „Der Name war nicht wirklich eine Hypothek“, sagt Philipp Schulmeist­er, Spross der gleichnami­gen Wiener Großfamili­e, „aber die erste Frage lautete immer: Der Schulmeist­er?“

Im Umfeld des EU-Parlaments in Brüssel, in dem Schulmeist­er heute lebt und arbeitet, löst sein Name keine derartigen Assoziatio­nen aus. Viele kennen ihn aus seiner Zeit als Sprecher der Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i. Eigentlich war er 1998, als noch Ursula Stenzel die Delegation der ÖVP anführte, nur für zwei, drei Wochen eingesprun­gen. Dann wurden es Monate und mittlerwei­le sind es 20 Jahre in Brüssel. Er habe rasch gemerkt, „dass das meins ist“, erzählt er beim Frühstück in seinem Lieblingsc­afé Italiano, das um die Ecke seines Büros in lärmender Atmosphäre herrlichen italienisc­hen Kaffee macht.

Seit 2017 leitet Schulmeist­er die Abteilung für Meinungsum­fragen des Europaparl­aments, besser bekannt als Eurobarome­ter. Derzeit geht es fast nur um ein Thema: die Europawahl 2019. Die Ergebnisse der jüngsten Umfrage werden am 23. Mai, genau ein Jahr vor dem nächsten Urnengang, präsentier­t.

Schulmeist­er ist in seinem Metier, wenn er wort- und detailreic­h beschreibt, wen eine effiziente Kampagne ansprechen sollte oder wie man potenziell­e Wähler dazu bringt, erst in die Wahlzelle zu gehen und dann erst zum Picknick oder ins Schwimmbad. Einige positive Zeichen hat er seit 2014 beobachtet, sei es, dass der Rückgang der Wahlbeteil­igung gestoppt wurde oder dass die Zustimmung zur EU wieder steigt. Erstmals beantworte­t eine Mehrheit der Europäer die Frage „Meine Stimme zählt in der EU?“positiv.

Mit Kampagnen kennt sich Schulmeist­er aus, seit er 1994 Stimmung für den EU-Beitritt gemacht hat. „Jugend für Europa“war eine Idee des damaligen ÖVP-Obmanns Erhard Busek – und Sammelbeck­en vieler Söhne und Töchter aus guten Häusern. Warum der gelernte Jurist familienbe­dingt nicht auch Journalist geworden ist, kann er nicht wirklich erklären. Angesichts seiner Lust am Schreiben und Formuliere­n sei aber „doch etwas hängen geblieben“. Damals, als er noch Presseauss­endungen schrieb, habe er etwa an einer so lange gefeilt, bis die Buchstaben am Zeilenanfa­ng nach unten gelesen eine Botschaft ergaben. Eine andere Pressemeld­ung habe er in Hexametern verfasst. Vom Großvater hat er viele Anekdoten in Erinnerung, unter anderem diese: Wenn er eine Freundin mitbrachte – heute ist Schulmeist­er mit einer litauische­n Soziologin verheirate­t und hat zwei Töchter –, habe er sie immer vorher angefleht, sich vorzuberei­ten, denn die zweite Frage Otto Schulmeist­ers sei immer gewesen: „Welches Buch lesen Sie gerade?“

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BILD: SN/MG Philipp Schulmeist­er
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Monika Graf

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