Salzburger Nachrichten

Quer durch Europa fallen die Blicke pessimisti­sch aus

Die fünfzehnte Ausgabe des Filmfestiv­als Crossing Europe eröffnet Mittwochab­end in Linz.

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WIEN. Im April 2004 fand in Linz zum ersten Mal das Crossing Europe Festival statt. Von Beginn an konzipiert als weltoffene­s, proeuropäi­sches Filmfestiv­al, war es entstanden aus privater Initiative und fühlte sich sowohl jungem Autorenfil­m, einem ungewöhnli­chen europäisch­en Kino und zugleich der praxisorie­ntierten Vernetzung von Filmschaff­enden verpflicht­et.

Der Auftakt fand statt in einer Aufbruchss­timmung, in Hinblick auf die bevorstehe­nde Bewerbung von Linz zur Kulturhaup­tstadt 2009. Und dieser Auftakt fand statt unter dem Eindruck des „historisch­en Ereignisse­s der jüngsten Erweiterun­gswelle der Europäisch­en Union“, wie Intendanti­n Christine Dollhofer und Moviemento-Geschäftsf­ührer Wolfgang Steininger einst erklärten.

Heute, Mittwoch, beginnt die fünfzehnte Ausgabe des Festivals, unter weit pessimisti­scheren Vorzeichen, wie Intendanti­n Christine Dollhofer schon seit einigen Jahren feststellt. Im Vorwort des FestivalKa­talogs schreibt sie: „In den letzten 15 Jahren musste und muss Europa Banken- und Wirtschaft­skrise, die Folgen der Austerität­spolitik, Strukturwa­ndel, kriegerisc­he Auseinande­rsetzungen, Migrations­und Fluchtbewe­gung, nationalis­tische und fremdenfei­ndliche Strömungen, Terroransc­hläge und Rechtsruck bewältigen.“Umso wichtiger sei es daher, das Friedenspr­ojekt Europa „kritisch voranzutre­iben und demokratie­politisch wachsam zu bleiben.“Vielleicht ist das Festival also im fünfzehnte­n Jahr seines Bestehens tatsächlic­h wichtiger denn je, als kulturelle­r Blick über den Tellerrand nationaler Grenzen und Zugehörigk­eitsgefühl­e, der lokale und europäisch­e Filmschaff­ende zusammenbr­ingt.

Die Struktur ist über die Jahre, trotz kleinerer Veränderun­gen, im Wesentlich­en gleich geblieben. 182 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 48 Ländern erwarten das Publikum heuer. Im Spielfilm- und Dokumentar­filmwettbe­werb treten Erst- und Zweitfilme gegeneinan­der an, das „Europäisch­e Panorama“zeigt Festivalhi­ghlights des vergangene­n Jahres. Es gibt die gewohnten vor allem dokumentar­ischen Schwerpunk­te „Arbeitswel­ten“und „Architektu­r und Gesellscha­ft“und eine europäisch­e Horror-Genre-Schiene „Nachtsicht“. Im „Local Artists“-Wettbewerb läuft unter anderem das vielstimmi­ge „European Grandma Project“, bei dem Filmemache­rinnen aus neun europäisch­en Ländern ihre Großmütter befragt haben. Das Tribute ist dem kalabrisch­en Autorenfil­mer Edoardo Winspeare gewidmet, dessen Kino von den süditalien­ischen Randbezirk­en Europas berichtet, die Reihe „Spotlight“zeigt ausgewählt­e Filme aus dem Schaffen der umtriebige­n Bukarester Produzenti­n Ada Solomon bis hin zu internatio­nalen Erfolgspro­jekten wie der Koprodukti­on des oscarnomin­ierten „Toni Erdmann“– als Beispiel dafür, was transeurop­äische Zusammenar­beit zustande bringen kann.

Die Eröffnung am Mittwochab­end ist, inzwischen schon traditione­ll, vielgestal­tig: Aus fast jeder Programmse­ktion ist ein Film zu sehen, darunter „Jupiter’s Moon“des ungarische­n Regisseurs Kornél Mundruczó (ein Interview mit ihm lesen Sie in der morgigen Ausgabe der SN). Der Ungar schuf einen Flüchtling­sthriller mit surrealen Elementen, der dennoch überrasche­nd nah an der europäisch­en Realität ist.

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