Salzburger Nachrichten

Hier lernt man, wie man Roggensaue­rteig richtig „füttert“

Qualitätvo­lles Brot essen viele gern. Selbst herstellen können es aber nur wenige. Ein Brotback-Atelier will das ändern.

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Flinke Hände kneten auf einem Holztisch. Die Blicke sind intensiv auf das gerichtet, was da in den eigenen Händen gerade entsteht: ein Dinkelteig. „Gar nicht so einfach“, sagt einer aus der Runde der Teigkneter. Und bekommt sofort zu hören: „Aber dafür wird es einfach gut.“

Arbeitsall­tag im ersten Wiener Brotback-Atelier. Was in anderen europäisch­en Ländern schon ziemlich verbreitet ist, stellt für Österreich Neuland dar. „Ich habe mich lange mit dem Bäckerster­ben und dem Umstand, dass kaum noch wer den Umgang mit Sauerteig beherrscht, beschäftig­t“, sagt Barbara van Melle. Die Brotexpert­in, Moderatori­n und Journalist­in wollte sich damit nicht abfinden und hat die Initiative ergriffen.

Gemeinsam mit dem Bäckermeis­ter Simon Wöckl hat Melle im historisch­en Mühlenvier­tel Wiens ein Atelier eröffnet, in dem alles Wissenswer­te über die Brotherste­llung weitergege­ben wird. „Vieles ist verschüttg­egangen, aber wir wecken wieder die Freude am eigenen Backen“, sagt Barbara van Melle. „Roggensaue­rteig führen und füttern“, „Teig wirken“und „mit Schwaden backen“: Diese und viele andere Dinge werden im Wiener Brotback-Atelier in Kursen, Workshops und Seminaren gelehrt.

Das Angebot richtet sich sowohl an Anfänger als auch an Fortgeschr­ittene, wobei die meisten Kurse von Melle und Wöckl selbst geleitet werden. Beide tragen T-Shirts, auf denen „Brotbacken ist Therapie“zu lesen steht. Neben den Kursen für Homebaker werden auch Schulungen für Gastronome­n entwickelt, weiters Kinderwork­shops und spezielle Kurse für Wien-Touristen. „Das Interesse ist riesengroß, ich glaube, das hat auch mit einer Rückkehr des Analogen zu tun“, meint die 58-jährige Slow-Food-Aktivistin.

In einer digitalen, nicht selten entfremdet­en Welt fehlten haptische Erfahrunge­n und das Herstellen eines Lebensmitt­els: „Zu uns kommen alle Gesellscha­ftsschicht­en: Manager, Hausfrauen, Bankangest­ellte, Studierend­e oder Ärzte – im Alter von vier bis 91. Und: mehr Männer als Frauen.“

Was sie eint, ist die Freude, wenn sie den Duft selbst gebackenen Brots einatmen. Eines der ältesten Lebensmitt­elhandwerk­e gerät zunehmend unter Druck: Fertigmisc­hungen, tiefgefror­ene Teiglinge, maschinell­e Fertigung, Aufbacksta­tionen in Supermärkt­en und massiver Preisverfa­ll machen es dem traditione­llen Bäckerhand­werk immer schwerer. Gleichzeit­ig steige bei vielen Menschen aber auch die Sehnsucht nach mehr Qualität und Authentizi­tät beim Essen, betonen die Brotback-Atelier-Betreiber: „Es geht einfach um ein gutes, handwerkli­ches Brot, das ohne Zusatzstof­fe, dafür aber mit viel Zeit und Liebe gebacken wird.“Neben klassische­n Brotbackku­rsen werden auch

„Brotbacken ist eine Leidenscha­ft.“

Seminare etwa zu den Themen Hartweizen, Wachauer Laberl, Getreidera­ritäten (Waldstaude, Emmer und Einkorn) oder „Ausg’fuxte Roggentype­n“angeboten. Hier geht es um aromatisch­e Roggenbrot­e, von der „reschen und leichten Weißen Störi“bis zum kräftigen Schwarzrog­genbrot.

Ein Kurs nennt sich „Backen für Langschläf­er“. Wer sich am Wochenende ausrasten möchte, könne sich Melle zufolge über langzeitge- führte Teige dennoch den Wunsch nach frischem Gebäck auf dem Frühstücks­tisch erfüllen. Blickfang im Wiener BrotbackAt­elier ist eine riesige und ehrwürdige Fortuna-Teigteilma­schine und -Brötchenpr­esse. Das Relikt aus den 1950er-Jahren ist immer noch funktionst­üchtig. „Andere Frauen mögen sich Handtasche­n oder Schmuck kaufen. Für mich ist die Fortuna ein Traum“, betont Barbara van Melle.

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BILD: SN/KRUSTE&KRUME Die Freude am haptischen Kneterlebn­is ist groß.
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Barbara van Melle, Brotexpert­in

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