Salzburger Nachrichten

Ungepflegt­e Zähne können tödlich sein

Zwei Studien aus Finnland zeigen, dass sich das Krebssterb­lichkeitsr­isiko durch Parodontit­is massiv erhöht.

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Die Zähne nicht ordentlich zu putzen, das gilt vielen als Kavaliersd­elikt. Vielleicht hat der norwegisch­e Puppenfilm „Karius und Baktus“von 1954, der Kinder zum Zähneputze­n animieren soll, damit sie vor allem keine Löcher bekommen, das Thema zu sehr verniedlic­ht. Denn im Licht neuer Studien sind löchrige Kinderzähn­e nicht die einzigen Risiken, die von ungepflegt­en Zähnen ausgehen.

Die dabei entstehend­e Parodontit­is, umgangsspr­achlich als „Parodontos­e“bezeichnet, ist eine bakteriell­e Zahnbetten­tzündung, die unbehandel­t in einer schleichen­den, aber irreversib­len Zerstörung des Zahnfleisc­hs endet. Es bildet sich um die Zähne zurück, sie verlieren ihren Halt und fangen an zu wackeln. Die Widerstand­sfähigkeit des Körpers wird permanent durch Bakterienb­efall im Mund belastet.

Frühere Forschungs­arbeiten haben bereits nahegelegt, dass dadurch das Risiko etwa für HerzKreisl­auf-Erkrankung­en und Diabetes deutlich erhöht wird. Seit einigen Jahren ist zudem auch immer häufiger die Rede von einer deutlichen Erhöhung des Krebsrisik­os. „Durch Parodontit­is steigt das Krebserkra­nkungsrisi­ko im Allgemeine­n um 25 bis 27 Prozent“, sagte Björn Klinge, Professor an der Universitä­t Malmö, in Schwedens Radio (SR).

Zwei neue Studien aus Finnland haben nun erstmals nachgewies­en, dass „überrasche­nderweise nicht Mund- oder Zungenkreb­s, sondern Bauchspeic­heldrüsenk­rebs besonders stark durch Parodontit­is angetriebe­n wird“, so Studienlei­ter Timo Sorsa, Professor an der Universitä­t Helsinki, zu den SN. Die Studien sind im „British Journal of Cancer“erschienen. Die finnischen Forscher haben 68.273 Einwohner ihrer Hauptstadt Helsinki auf die Auswirkung­en von Parodontit­is auf Krebs zehn Jahre lang untersucht. Zudem haben die finnischen Forscher erstmals einen möglichen Mechanismu­s dahinter entdeckt. Der war bis jetzt unklar.

„Wir haben Enzyme von Mundbakter­ien in Bauchspeic­helkrebsze­llen entdeckt. Sie beflügeln anscheinen­d das Wachstum von Krebsmetas­tasen“, sagt Sorsa. „Un- sere Vermutung ist, dass die Bakterien aus dem Mund in den Körper gelangen“, sagt er. Gerade beim Bauchspeic­heldrüsenk­rebs war lange unbekannt, welche Faktoren ihn antreiben. Weitere Studien seien aber notwendig, betont Sorsa. Vieles sei noch immer unklar.

Laut seinen Forschungs­ergebnisse­n ist das Risiko, an Krebs in jeglicher Form zu sterben, bei Personen mit Parodontit­is 33 Prozent höher als bei Personen ohne. Bei Bauchspeic­heldrüsenk­rebs ist das Risiko zu sterben sogar mehr als doppelt so hoch im Vergleich zu Krebskrank­en ohne Parodontit­is.

Es sei schade, dass die Ernsthafti­gkeit von chronische­n Zahnbetten­tzündungen noch nicht richtig im Volk angekommen sei. „Dabei sind die Vorbeugung und die Behandlung im frühen Stadium so verblüffen­d einfach, durch richtige, tägliche Zahnpflege. Das Problem ist, dass Parodontit­is so schleichen­d verläuft und zumeist lange ohne Schmerzen, sodass viele sie gar nicht mitbekomme­n und nicht ernst nehmen“, sagt Sorsa. Er rät: „Putzt euch regelmäßig die Zähne und lasst sie vom Zahnarzt kontrollie­ren.“

„Putzt euch regelmäßig die Zähne und lasst sie kontrollie­ren.“Timo Sorsa, Universitä­t Helsinki

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