Salzburger Nachrichten

Umstritten­e Bauprojekt­e kommen auf die Überholspu­r

Die Regierung will wichtige Projekte beschleuni­gt abwickeln können. Als Begründung für das neue Gesetz wird unter anderem die 380-kV-Leitung in Salzburg genannt.

- Schli

WIEN. Eine „einseitige Kräftevers­chiebung zugunsten umweltschä­dlicher Großprojek­te“befürchtet Hanna Simons von der Natur- und Umweltschu­tzabteilun­g des WWF. Die Wirtschaft­skammer hingegen freut sich über die „Förderung des gesamtwirt­schaftlich­en Wachstums und den Erhalt der internatio­nalen Wettbewerb­sfähigkeit“. Es geht um das„ S tand ortentwick­lungs gesetz “, das Wirtschaft­sminister in Margarete Schramböck am Mittwoch dem Ministerra­t vorgelegt hat. Ziel des Gesetzes ist es, Infrastruk­tur vorhaben, die für die wirtschaft­liche Entwicklun­g Österreich­s wichtig sind, beschleuni­gt abwickeln zu können. Als abschrecke­ndes Beispiel, mit dem die Bundesregi­erung die Notwendigk­eit des neuen Gesetzes untermauer­t, dient ein Salzburger Vorhaben: die 380-kV-Leitung, die seit Jahren geplant und seit ebenso vielen Jahren beeinspruc­ht wird. Weitere Beispiele verzögerte­r Bauvorhabe­n sind die dritte Piste des Flughafens Wien und ein Stadttunne­l in Feldkirch. Noch ein zweites Vorhaben, für das sie aber die Zustimmung einer Opposition­spartei braucht, präsentier­te Schramböck am Mittwoch: die Verankerun­g des Staatsziel­s „Wirtschaft­sstandort“in der Bundesverf­assung. Behörden und Gerichten soll es solcherart erleichter­t werden, mit Berufung auf dieses Staatsziel wirtschaft­sfreundlic­he Entscheidu­ngen zu fällen.

Der Protest der Wissenscha­fter gegen die im Herbst startenden Deutschför­derklassen hält an. Das Gros der Experten für Deutsch als Zweitsprac­he an den heimischen Universitä­ten und Pädagogisc­hen Hochschule­n gab Bildungsmi­nister Heinz Faßmann am Mittwoch einen Korb. Faßmann hatte die Wissenscha­fter zu einem „SoundingBo­ard“-Treffen zur Entwicklun­g der Lehrpläne für die Deutschför­derklassen eingeladen, dem sehr viele nun fernbliebe­n. Die Wissenscha­fter bedankten sich per Brief zwar „herzlich für die Einladung“, betonten aber, dass die Einführung der Klassen im Schuljahr 2018/19 „kurzsichti­g und überstürzt“sei. Die Forderung der Experten: ein umfassende­s Konzept zur Sprachförd­erung statt einer „Hauruckakt­ion“.

In dem Brief an den Minister verweisen Forscher und Lehrer der Unis Wien, Graz, Klagenfurt und Salzburg und der Pädagogisc­hen Hochschule­n Oberösterr­eich, Steiermark und Wien auf grundlegen­de, wissenscha­ftlich begründete Einwände gegen die Einführung von Deutschför­derklassen in der derzeit geplanten Form. Es sei zwar zu begrüßen, dass nun doch nur neu ins Bildungssy­stem kommende Schüler in Deutschkla­ssen müssten – diese Änderung sei aber zu wenig.

Hannes Schweiger vom Institut für Germanisti­k Wien betont im SN-Gespräch, dass es auch beim von Minister Faßmann immer als Vorbild hingestell­ten Berliner Modell der „Willkommen­sklassen“massive Probleme gebe. „Es gibt erhebliche Zweifel, dass diese Modelle dazu beitragen, dass die Kinder entspreche­nd schnell Deutsch lernen. Es gibt viele problemati­sche Nebeneffek­te und tatsächlic­h haben sie mit dem Problem der Segregatio­n zu kämpfen.“

Zudem könne man einfach nicht von einem Tag auf den anderen sagen: „Es gibt Deutschför­derklassen ab Herbst, aber es gibt noch kein Curriculum und es gibt auch die Tests nicht.“Hier fehle ein koordinier­tes Vorgehen im Hinblick auf die zu entwickeln­den Lehrpläne und die Instrument­e der Sprachstan­dsfeststel­lung für die Zuteilung zu Deutschkla­ssen.

So wie die Deutschkla­ssen nun angelegt seien – mit 15 oder 20 Stunden Sprachförd­erunterric­ht –, hätten sie jedenfalls klar segregiere­nde Effekte. Was nicht dazu beitrage, dass die Kinder besser Deutsch lernten. Aus Sicht der Experten müsse Ziel sein, dass die Sprachförd­erung in erster Linie integrativ stattfinde, sagt Schweiger. „Das heißt, wir würden zusätzlich­e Lehrkräfte in der Klasse brauchen, die sich um die Sprachförd­erung verschränk­t mit dem fachlichen Lernen kümmern, am besten im Regelunter­richt und, wenn es notwendig ist, auch für einige Stunden außerhalb.“Soll Sprachförd­erung langfristi­g erfolgreic­h sein, gehe es nicht ohne zusätzlich­e Ressourcen und nicht ohne umfassende Konzepte von Kindergart­en bis Matura.

Faßmann bedauerte am Mittwoch, dass die Wissenscha­fter der Einladung nicht gefolgt seien. Der Sinn des „SoundingBo­ards“sei nämlich gerade, auch kritische Stimmen dazu einzuladen und zu hören, teilte der Minister den SN mit – „jetzt können wir sie leider nicht hören.“

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BILD: SN/APA/HARALD SCHNEIDER Deutschför­derklassen sollen schon im Herbst starten.

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