Salzburger Nachrichten

Im EU-Budget bahnt sich Revolution an

Im nächsten EU-Budget bahnt sich offenbar eine kleine Revolution an: Wer auf Werte und Regeln der Europäisch­en Union achtet, soll künftig belohnt werden.

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Die Vergabe von EU-Geld soll nicht mehr nur vom wirtschaft­lichen Aufholbeda­rf eines Landes abhängen. Ein harter Kampf zwischen bisherigen und künftigen Nutznießer­n steht bevor.

BRÜSSEL. Am kommenden Mittwoch steht in der EU-Kommission ein seltenes Ereignis an: Budgetkomm­issar Günther Oettinger wird den Entwurf für den nächsten siebenjähr­igen Finanzrahm­en der EU präsentier­en. Damit wird grundsätzl­ich festgelegt, wie viel Geld die EU von 2021 bis 2027 zur Verfügung hat und somit auch verteilen kann.

Entscheide­n müssen darüber letztlich die Mitgliedss­taaten – noch dazu einstimmig – und das EU-Parlament. Der laufende Langfrist-Haushalt von rund 1000 Milliarden Euro für 2014–2020 wurde 2011 vorgeschla­gen und 2013 beschlosse­n.

Diesmal steht jedoch eine „Revolution“an, wie es aus Kommission­skreisen heißt. Die Vergabe von EUGeld wird nicht mehr nur vom wirtschaft­lichen Aufholbeda­rf eines Landes oder einer Region abhängen – oder von der Förderwürd­igkeit eines Investitio­nsprojekts, sondern auch davon, ob sich ein Land an die EU-Werte und -Regeln hält. Mehr Mittel soll es zudem für Länder geben, die durch Migration stark belastet sind oder etwa mit hoher Jugendarbe­itslosigke­it kämpfen. So wird sich der Schwerpunk­t der EUFördermi­ttel stärker von Ost- nach Südeuropa verschiebe­n.

Damit reagiert die EU-Kommission auf Druck aus einigen Hauptstädt­en, die nicht länger zusehen wollen, wie Länder wie Polen oder Ungarn sich nicht an EU-Gesetze oder Beschlüsse halten, aber die größten Nutznießer von EU-Förderunge­n sind. Die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte auf einem Sondergipf­el im Februar verlangt, dass eine solche Wohlverhal­tensklause­l in den nächsten Haushaltsr­ahmen aufgenomme­n wird. Offen war noch, wer über die Geldvergab­e entscheide­t – nur die EUKommissi­on oder auch das Parlament und die Mitgliedss­taaten. „Es ist ein ganz neues Instrument – und es birgt auch ein gewisses Risiko“, sagt ein Kommission­svertreter.

Der Haushalt 2021–2027 ist von vornherein anders. Durch den Austritt Großbritan­niens wird einer der größten EU-Nettozahle­r fehlen. Oettinger beziffert die Lücke mit zehn bis 13 Mrd. Euro pro Jahr. Gleichzeit­ig sind für neue EU-Aufgaben von Grenzschut­z über Verteidigu­ng bis zu Migration und Digitalisi­erung zusätzlich acht bis zehn Mrd. Euro notwendig, hat die Kommission wiederholt vorgerechn­et.

Knapp die Hälfte dieser Summen will man einsparen, in erster Linie bei den beiden größten Töpfen Agrarund Strukturfo­nds, die zusammen fast drei Viertel des EUBudgets ausmachen. Die Rede ist von jeweils rund sechs Prozent, die über sieben Jahre gekürzt werden. Auf keinen Fall reduzieren, sondern sogar ausbauen will die Brüsseler Behörde das Studentenp­rogramm Erasmus und die Forschungs­mittel.

Den Rest der Lücke sollen neue Quellen schließen wie eine Abgabe auf Plastikver­packungen (die geplante Digitalste­uer sei „noch nicht reif“, heißt es) oder Einnahmen aus Versteiger­ungen von Emissionsz­ertifikate­n. Vor allem aber braucht es höhere Zahlungen der EU-Staaten. Große Länder wie Deutschlan­d oder Frankreich haben schon signalisie­rt, dass sie mehr einzuzahle­n bereit sind, kleinere wie die Niederland­e, Dänemark und Österreich lehnen das jedoch strikt ab. Eine kleinere EU brauche auch weniger Geld, so ihr Tenor.

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