Diskussion um die Kassen Reaktionen auf Privilegienvorwürfe
Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger weist Privilegienvorwürfe der Regierung zurück. „Ich bin schon etwas enttäuscht, dass auf diesem Niveau diskutiert wird und nicht faktenbasiert“, sagt der Vorsitzende des Hauptverbands, Alexander Biach. Zuvor war in einigen Medien unter Berufung auf Regierungsunterlagen über Privilegien und Vermögen der Sozialversicherungen berichtet worden.
Etwa dass von den Sozialversicherungen rund 1,3 Mrd. Euro an Beiträgen an der Börse in Aktien und Wertpapieren angelegt wurden und über die Jahre ein Reinvermögen von rund 6 Mrd. Euro angehäuft wurde, statt Beiträge zu senken. Oder dass pro Jahr etwa 330 Mill. Euro für Zusatz- bzw. Luxuspensionen ausbezahlt werden und mehr als 1000 Funktionäre im Einsatz seien.
Bei den Sozialversicherungen verweist man darauf, es sei völlig haltlos, dass mit Sozialversicherungsbeiträgen spekuliert worden sei. Die Sozialversicherungen seien zudem verpflichtet, „L eis tungssi ch erungs reserve“in der Höhe eines Monatsaufwands zu bilden, um für unvorhergesehene Ausgaben – etwa im Fall einer Epidemie oder gar Pandemie – gerüstet zu sein. 1,4 Mrd. Euro seien so in mündelsicheren Papieren angelegt worden. Außerdem gilt für die Sozial versicherungen ein Spekulationsv erbot. Die 330 Millionen Euro für Zusatz pensionen sind laut Sozialversicherung Fakt. Es handle sich aber um alte Verträge, die einzuhalten sind. Die Zusatzpensionen sind 1996 abgeschafft worden.
Kritik aus der eigenen Partei Die beiden AK-Präsidenten Hubert Hämmerle aus Vorarlberg und Erwin Zangerl aus Tirol (beide AABFCG) haben auf die „Privilegiendebatte“mit einer heftigen Schelte für die Regierungsspitze reagiert. „Jetzt zeigt sich, was sich Kurz und Strache unter einem neuen Regierungsstil in unserem Land vorstellen“, sagen sie. Türkis-Blau gehe es lediglich um „Macht und Einfluss“und die „Zentralisierung und Verstaatlichung“der Sozialversicherungen. Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar kritisiert die ÖVP-FPÖ-Regierung für ihre Privilegienvorwürfe gegen die Sozialversicherungen. Zugleich forderte der oberste Gewerkschaftsvertreter die Regierung zu Verhandlungen mit den Sozialpartnern und den Bundesländern auf. „Wenn man die Rücklagen kritisiert, sollte die Regierungsspitze so weit gesetzeskundig sein, dass man weiß, dass die Sozialversicherungen gesetzlich dazu angehalten sind, Rücklagen von einem Monatsaufwand zu bilden. Das alles wird auch vom Rechnungshof regelmäßig geprüft.“Dabei seien bisher keinerlei Vorwürfe aufgetaucht. Der ÖGB-Chef, der sein Amt im Juni an den bisherigen GPA-Chef Wolfgang Katzian übergibt, vermutet aber, dass es der Regierung gar nicht um Reformen, sondern um „ganz platte Machtgelüste“gehe.
Kritik an der von der Regierung losgetretenen Privilegiendebatte kam auch aus der SPÖ. Für sinnvolle Reformen brauche es Dialog statt Untergriffigkeiten, sagt Gesundheitssprecherin Pamela RendiWagner. Hinter den Angriffen dürften am Ende keine Leistungskürzungen oder Privatisierungen der Gesundheitsleistungen stehen.
Gegen Privilegien im Bereich der Sozialversicherung sprach sich unterdessen die Pharma-Interessenvertretung Pharmig aus. Die Debatte darüber müsse allerdings faktenbasiert geführt werden, sagt Generalsekretär Jan Oliver Huber: „Eine populistische Neiddebatte zu entfachen nützt niemandem etwas.“Die Reformschritte im Regierungsprogramm im Bereich der Sozialversicherung seien transparent festgelegt worden, meinte er, und das Hinterfragen von Strukturen und Prozessen seitens der Politik sei auch der Sozialversicherung zuzumuten.
Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse hat Mittwoch angesichts der Pläne der Bundesregierung zur Zusammenlegung der Krankenkassen eine Betriebsversammlung abgehalten. 331 der 431 Beschäftigten beschlossen eine Resolution gegen die Abschaffung der Länderkassen.