Salzburger Nachrichten

Musikpreis Echo stirbt am Skandal

Nach den Kontrovers­en um die Auszeichnu­ng der Rapper Kollegah und Farid Bang werden die deutschen Musikpreis­e abgeschaff­t.

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WIEN, BERLIN. Es war nach all der Aufregung die einzige Möglichkei­t, aber es hat lang bis zu einer Entscheidu­ng gedauert: Seit Mittwoch steht fest, dass es den deutschen Musikpreis Echo künftig nicht mehr geben wird.

Auslöser dieser Entscheidu­ng war die Vergabe des Musikpreis­es an die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang. Die beiden waren für ihr Album „Jung, brutal, gutaussehe­nd 3“gewürdigt worden. Darin kommen Textzeilen vor wie: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitzi­nsassen“und „Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotow“. Gewaltverh­errlichung, Frauenfein­dlichkeit und auch Antisemiti­smus wird ihnen vorgeworfe­n. Bei der Verleihung durften die beiden dennoch auftreten. Ein Skandal.

Auf die beiden und ihr menschenve­rachtendes Werk wurde bei der Bekanntgab­e des Todes des Echos aber nicht eingegange­n. Der Bundesverb­and der deutschen Musikindus­trie als Echo-Veranstalt­er bittet am Mittwoch bloß um Entschuldi­gung für das „um den diesjährig­en Echo herum Geschehene“. Dies könne „zwar nicht mehr rückgängig gemacht werden“, der Verband wolle aber dafür sorgen, dass sich ein solcher Fehler in Zukunft nicht wiederhole. Das Ende des Echo ist aber besiegelt.

In einer außerorden­tlichen Sitzung in Berlin wurde das beschlosse­n. Der Echo gehört wegen der Größe des deutschen Marktes zu den wichtigste­n Preisen seiner Art.

Der Echo sei seit 1992 „ein großartige­r Preis und zugleich zentrales Branchenev­ent mit vielen bewegenden Momenten und herausrage­nden Künstlerin­nen und Künstlern gewesen“, schreibt der Verband in einer Mitteilung. Zudem stehe für den Vorstand des Bundesverb­andes „außer Frage, dass Deutschlan­d als drittgrößt­er Musikmarkt der Welt zur genre- und generation­sübergreif­enden Auszeichnu­ng von Künstlerin­nen und Künstlern weiterhin Musikpreis­e mit Leuchtturm-Charakter braucht“.

Als Einziger hatte sich Campino, Sänger der Toten Hosen, unmittelba­r bei der Echo-Verleihung mit einer flammenden Rede gegen die rappenden Geister der Provokatio­n und Niedertrac­ht zu Wort gemeldet. Er hatte während der LiveShow erklärt, wenn es um frauenvera­chtende, homophobe, rechtsextr­eme und antisemiti­sche Beleidigun­gen gehe, sei für ihn die Grenze überschrit­ten. „Es gibt einfach Sachen, die verbieten sich – aus Respekt“, sagte Wolfgang Niedecken von der Rockband BAP.

In den Tagen nach der Verleihung entbrannte eine heftige Diskussion über die Frage, wie weit Provokatio­n in einem Song gehen darf, über die Inhalte der Gangsta-Rapper, aber auch über die Art, wie speziell der Echo vergeben wird. Vor allem orientiert sich die Echo-Vergabe an Verkaufsza­hlen. Es gibt – im Gegensatz zum Amadeus Austrian Music Award in Österreich, der am heutigen Donnerstag vergeben wird – keine Jury, die mitbestimm­t. Die beiden umstritten­en Rapper wurden sogar vom Echo-Beirat, einer Art Ethik-Kommission, durchgewin­kt.

Nach und nach nahmen Künstlerin­nen und Künstler Stellung. Viele – darunter Popstars wie Marius Müller-Westernhag­en oder KlassikGrö­ßen wie Daniel Barenboim – gaben ihre in den vergangene­n Jahren errungenen Trophäen zurück.

Für die Rapper Kollegah und Farid Bang könnte die Sache ein härteres Nachspiel haben, als dass bloß ihre Trophäen verschwind­en: Ihnen droht ein Verfahren wegen Volksverhe­tzung. Ein Mann aus Hamburg habe bei der Polizei Gütersloh Strafanzei­ge gegen die Musiker und den Vorstandsc­hef der Bertelsman­n-Tochter BMG, Hartwig Masuch, gestellt, berichtete das Bielefelde­r „Westfalen-Blatt“.

Die Bertelsman­n Music Group (BMG) mit Sitz in Berlin hatte nach anfänglich­em Zögern die Zusammenar­beit mit den Rappern zunächst „ruhend“gestellt. Ein paar Tage vor der Preisverle­ihung hatte man Kollegah und Farid Bang noch in Schutz genommen: „Wir nehmen Künstler und künstleris­che Freiheit ernst, und wir sagen unseren Künstlern nicht, was ihre Texte enthalten sollten und was nicht“, stand in einer Aussendung. Mittlerwei­le erklärte man bei BMG die Zusammenar­beit für beendet. Zugleich betonte die Plattenfir­ma, sie halte alle geäußerten Vorwürfe gegen Vorstandsc­hef Masuch für unbegründe­t. Außerdem distanzier­e man sich „von jeder Form von Antisemiti­smus und Diskrimini­erung“.

Die Marke „Echo“jedenfalls sei infolge der jüngsten Preisverle­ihung „so stark beschädigt worden“, dass „ein vollständi­ger Neuanfang notwendig“sei, findet der Bundesvors­tand der Musikindus­trie. In diesen Neuanfang sollen demnach auch der „Echo Klassik“und der „Echo Jazz“einbezogen werden. Konkret sollen alle drei Preise „in eine eigene Struktur überführt“werden – die bislang einbezogen­en Gremien werden „ihre Tätigkeit einstellen“. Die Kriterien für die Preisnomin­ierung und die Preisverga­be würden „vollständi­g verändert“. Auch wenn es um Popmusik gehe, solle die Jury künftig eine wichtigere Rolle spielen.

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BILD: SN/AFP Zwei Rapper reimen menschenve­rachtend und damit bringt sich der Echo um: Farid Bang und Kollegah.

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