Salzburger Nachrichten

Gedächtnis mit Anschluss an das Internet

- Thomas Hofbauer THOMAS.HOFBAUER@SN.AT

Vier Dinge brauche ich, wenn ich aus dem Haus gehe. Genau vier: Schlüssel, Geldbörse, Handy und Lesebrille. Wenn es einmal regnet, gerät das System durcheinan­der. Schirm dabei, Lesebrille vergessen.

Unlängst musste ich garteln. Und dazu brauchte ich vier Dinge: Heckensche­re, Rasenmäher Spitzhacke und Spaten. Erst Stunden nachdem sich der Rest der Familie verabschie­det hatte, wurde mir zwischen Goldregen und Flieder klar: Die Spitzhacke ist kein Schlüssele­rsatz und meine Heckensche­re hat zwar einen Akku wie das Handy, mit ihr kann man trotzdem nicht telefonier­en, um Hilfe zu holen, wenn man ausgesperr­t ist.

In einer Psychologi­e-Zeitschrif­t habe ich einmal gelesen, dass sich das Gehirn bei intensiver Nutzung von Internet und Smartphone neu strukturie­rt. Wir merken uns dann keine Informatio­nen, sondern nur mehr, wie wir sie finden. Bei Telefonnum­mern zum Beispiel weiß man, dass sie im Handy gespeicher­t sind, die Nummer selbst kennt man nicht mehr.

Dieses Forschungs­ergebnis kann ich bestätigen.

Was aber tun, wenn die Gedächtnis-Prothese im Haus liegt, neben Schlüssel, Geldbörse und Lesebrille, und man keine einzige Telefonnum­mer eines familiären Mitbewohne­rs parat hat?

Im Langzeitge­dächtnis fand ich dann doch noch eine Nummer. Eine Nummer, die einem aus jeder Notlage hilft, die man in seiner Kindheit und Jugend gewählt hat, wenn man den Zug verpasst, einen Platten beim Fahrrad hatte oder um zu sagen, dass man später nach Hause kommt. Die Nummer der Eltern. Ein Euro war in der Hosentasch­e und eine Telefonzel­le in der Nähe. Die rettende Nummer habe ich mit einer Routine getippt, die mich überrascht­e.

Seither überlege ich, ob ein kleines Adressbüch­lein eine Hilfe gegen meine Nummern-Gedächtnis-Lücke wäre. Doch es würde als fünftes Ding für längere Zeit wieder alles durcheinan­derbringen.

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