Wird Telefonieren ins EU-Ausland billiger?
Das EU-Parlament kämpft um die Abschaffung auch der Zuschläge für internationale Gespräche. Und stößt auf Skepsis und Ablehnung.
BRÜSSEL. Das EU-Parlament lässt diesmal nicht locker: Nach den Roaminggebühren für Handytelefonate im EU-Ausland wollen die Abgeordneten auch den Aufschlägen für Anrufe ins Ausland an den Kragen. Am Mittwoch wurde mit der EUKommission und den Mitgliedsstaaten über entsprechende Regeln verhandelt, ohne Einigung. Mitte Mai soll es eine neue Runde geben.
Ursprünglich ging es in dem Gesetzespaket („Europäischer elektronischer Kommunikations-Kodex“) nur um den Zugang zu neuen Frequenzen für den Ausbau der nächsten Mobilfunkgeneration 5G. Das Europaparlament verlangt aber die Aufnahme eines Passus, mit dem die Zuschläge für internationale Anrufe in der EU fallen sollen.
Die Chefverhandlerin des Parlaments, Pilar del Castillo – dem Vernehmen nach selbst skeptisch –, stößt mit dem Plan nicht nur auf Gegenliebe. EU-Vizepräsident Andris Ansip, zuständig für den digitalen Binnenmarkt, warf dem Europaparlament vor, „das gesamte Telekom-Paket in Geiselhaft“zu nehmen. Seine Vorgängerin, Viviane Reding, mittlerweile EU-Abgeordnete, konterte auf Twitter, dass 2013 die Kommission selbst diese Zuschläge – die bis zu 5000 Prozent ausmachten – abschaffen wollte, aber nicht durchgekommen sei. „Missbräuchliche Zusatzgebühren für Telefonate ins EU-Ausland müssen weg“, forderte sie gemeinsam mit ÖVP-EU-Parlamentarier Paul Rübig, Vorkämpfer schon bei der Abschaffung des Handy-Roaming. „Es ist völlig inakzeptabel, dass ein Gespräch von Linz nach Freilassing mehr kostet als von Bregenz nach Wien“, kritisiert Rübig. Das sei ein Relikt aus alten Zeiten. Mitte Juni 2016 sind zwar die Aufschläge bei Gesprächen mit dem Mobiltelefon im Ausland gefallen. Wer aber den Sohn oder die Tante, die in Spanien oder Deutschland leben, von Österreich aus anruft, zahlt weiter extra, egal ob vom Handy oder Festnetz.
Die Telekomkonzerne wehren sich dagegen, dass ihnen nun auch diese Einnahmen genommen werden sollen. In einem Brief kritisieren 35 Konzernbosse, darunter Telekom-Austria-Chef Alejandro Plater und T-Mobile-Österreich-Vorstand Andreas Bierwirth, dass der Kodex nicht, wie geplant, Investitionen unterstützen werde, und warnen vor weiteren Verzögerungen. Die EU-Kommission will, dass die Konzerne im nächsten Jahrzehnt bis zu 500 Mrd. Euro in den Breitbandausbau investieren, um dem europäischen digitalen Binnenmarkt näher zu kommen.
Die Argumente gegen eine Abschaffung der Auslandszuschläge sind ähnlich wie beim HandyRoaming: Die Konsumenten seien kaum betroffen, weil sie ohnehin auf moderne Dienste wie WhatsApp, Facetime oder Skype ausweichen würden. Ein Verbot würde aber die Geschäftsmodelle mit Unternehmen zerstören. Laut aktuellen Zahlen der europäischen Telekom-Regulierer (BEREC) aus zehn EU-Ländern war nur ein Drittel bis die Hälfte der Gespräche ins EU-Ausland durch Flatrates oder Datenpakete abgedeckt. Auf die Minute umgelegt brachten diese Telefonate um 27 Prozent (Festnetz) bzw. 50 Prozent (Mobil) mehr ein als ein durchschnittliches Inlandsgespräch.
Rübig sieht jetzt den zuständigen Infrastrukturminister Norbert Hofer gefordert. „Ich würde mir von ihm mehr öffentliche Unterstützung in diesem Kampf wünschen“, betonte er. Bisher sei dessen Haltung unklar. Aus dem Ministerium hieß es, Österreich sei gegen einen neuerlichen Eingriff in einen funktionierenden Markt. Das könnte zu einem Anstieg der Inlandstarife führen. Viele Konsumenten nützten ohnehin günstige Paketlösungen.
„Diese Zuschläge müssen weg.“Viviane Reding, EU-Abgeordnete