Wie viel Ego braucht der Fortschritt?
Jeff Bezos, Elon Musk und Mark Zuckerberg faszinieren. Taugen sie als Vorbild?
Es ist bemerkenswert, dass in einer Zeit, in der Frauen längst besser ausgebildet sind als Männer, es noch immer eine Handvoll Männer sind, die ob ihrer Genialität angehimmelt werden. Diese Woche bekam Amazon-Gründer Jeff Bezos in Berlin den Axel Springer Award verliehen und fantasierte glatt von der Erkundung des Weltalls, mit der er sein Vermögen (auf dem Papier 120 Mrd. US-Dollar) aufbrauchen wolle.
Der deutsche Großverlag zeichnete ihn damit für sein visionäres Unternehmertum in der Internetwirtschaft und die konsequente Digitalisierungsstrategie der 140 Jahre alten, ehrwürdigen US-Zeitung „Washington Post“aus, die Bezos 2013 übernommen hatte. Das ist gerade in Europa, wo die zerstörerische Kraft der Silicon-Valley-Technologiefirmen wie Amazon intensiv debattiert wird, eine ungewöhnliche Aktion (Stichworte: Bedrohung der mittelständischen Wirtschaft, Monopolisierung, Datenschutzvergehen, Steuervermeidung). Oder nehmen wir Tesla-Gründer Elon Musk, der den Mars erobern will, aber derzeit mehr wegen seiner irdischen Probleme in den Schlagzeilen ist: Wird er die Massenproduktion des Mittelklasse-Elektroautos Model 3 schaffen oder wird ihm schlicht und einfach das Geld ausgehen? Der Ausgang des von Musks vollmundigen Ankündigungen selbst angeheizten Matches ist offen, ebenso wie bei Mark Zuckerberg. Der Facebook-Gründer weiß sich ebenfalls zu inszenieren, weniger als halbverrückter Visionär, aber als jugendlicher Gutmensch, der mit Facebook doch nur das Leben der Menschen erleichtern wollte. Aber, nein, durch den Verkauf privater Nutzerdaten niemals zum Milliardär werden wollte.
Alle drei genannten Herren genießen Kultstatus. Es stellt sich die Frage, ob die Wirtschaft nicht gerade Egomanen ihres Zuschnitts braucht, um voranzukommen – etwa um andere zu inspirieren und große Ideen voranzutreiben. Und um die grundsätzliche Natur des Menschen, „faul zu sein und seine eigenen Überzeugungen bestätigen zu wollen“(Nobelpreisträger Daniel Kahneman), auszuhebeln. Ohne die Unruhestifter würden sich viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter noch immer in ihren Erfolgen von gestern sonnen, anstatt sich nach vorn zu bewegen.
Und dennoch sollte man genau zwischen der Show auf öffentlichen Bühnen und der täglichen Innovationsarbeit am harten Boden der Realität unterscheiden: Narzissmus allein reicht nie aus, um Innovationen auf den Markt zu bringen, er kann sogar zerstörend wirken. Es wird gern verschwiegen, dass alle Herren Hundertschaften an direkten Gefolgsleuten beschäftigen, die mit ihrem Wissen, ihrer Experimentierfreude und Widerstandsfähigkeit die Ideen tatsächlich auf den Boden bringen. Viele Einfälle stammen nicht von Bezos, Musk und Zuckerberg selbst, sondern aus dem Kreis von Mitarbeitern. Innovation ist Teamarbeit – jedenfalls abseits der Bühne.