„Nicht einen Satz streichen“
Der Iran lehnt jede Änderung am bestehenden Atomvertrag weiterhin ab. „Separate Diskussionen“über sein Raketenprogramm schließt er aber nicht mehr aus.
TEHERAN. Noch ist offen, wie USPräsident Donald Trump zum Atomabkommen mit dem Iran entscheiden wird. Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich zum Abschluss seines USA-Besuchs äußerst pessimistisch zur Zukunft des Deals. Er rechne mit einer Aufkündigung der Vereinbarung durch Trump, sagte Macron am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz in Washington.
Trump droht mit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen, sollte dieses nicht in einigen Punkten nachverhandelt werden. Irans Staatspräsident Hassan Rohani hat aber auch nach dem WashingtonBesuch seines Kollegen Macron alle Änderungen am bestehenden Atomvertrag ausgeschlossen. Die USA hätten nicht das Recht, über international anerkannte Abkommen zu entscheiden. Donald Trump, fügte Rohani mit sanfter Ironie hinzu, sollte „lieber Wolkenkratzer bauen“, weil er von Weltpolitik nicht genügend verstehe. Als „guter Geschäftsmann“stelle der US-Präsident den Deal vor allem deshalb schlecht dar, weil er in der Region lukrative Waffengeschäfte abwickeln wolle.
„Der Atomvertrag ist der Atomvertrag“, aus dem man nicht einen Satz streichen könne, betonte Rohani weiter. Für viele Beobachter überraschend schloss der iranische Präsident allerdings „separate Diskussionen“über das besonders in Washington scharf kritisierte Raketenprogramm sowie die Nahostpolitik seines Landes nicht mehr aus. Voraussetzung dafür sei aber die Umsetzung des bestehenden Atomabkommens. Insbesondere geht es dem Iran dabei um die wirtschaftlichen Vorteile des Vertrags durch die Aufhebung von Sanktionen, in deren Genuss das Land bisher kaum gekommen ist. Auch wenn die USA auf diese Forderung zunächst nicht eingehen würden, könnte das Teheraner Diskussionsangebot eine „Art Türöffner“sein, vermutet ein EUDiplomat in Teheran. Die Islamische Republik habe kein Interesse an einer neuen Konfrontation mit den Vereinigten Staaten. Auch wenn der Iran gedroht habe, im Falle eines Ausstiegs der USA aus dem 2015 geschlossenen Abkommen die Urananreicherung wieder aufzunehmen oder selbst aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten.
Diese Drohungen müssten nicht unbedingt für bare Münze genommen werden, erläuterte der Diplomat im Gespräch mit den SN weiter.
Selbst wenn die USA aus dem Abkommen aussteigen würden, stünde in diesem Fall noch „fast die ganze Welt an der Seite des Iran“. Alle anderen Partner betrachten das nach vier Jahren zäher Verhandlungen unterzeichnete Atomabkommen mit Teheran noch immer als einen Vertrag von elementarer Bedeutung für die Sicherheit im Mittleren Osten. Aus der Sicht Teherans ergebe es daher keinen Sinn, die angekündigten „drastischen Maßnahmen“tatsächlich umzusetzen. Vielmehr würde man dann „den schwarzen Peter den USA zuschieben“, meint der EU-Diplomat.
In der iranischen Bevölkerung hat die aggressive Politik des USamerikanischen Präsidenten indessen für eine massive Verunsicherung gesorgt. Die Landeswährung Rial fiel gegenüber dem Dollar in den vergangenen sechs Monaten um mehr als 30 Prozent. Um den seit Jahresbeginn anhaltenden Abfluss des Kapitals zu stoppen, schloss die Zentralbank zeitweise die Wechselstuben, was wiederum eine Lähmung der Wirtschaft zur Folge hat. Der Außenhandel, berichten iranische Geschäftsleute, sei nahezu zum Erliegen gekommen. Auch wenn Trump im Unrecht sei, zeige seine Einschüchterungspolitik mittlerweile überall im Lande ihre lähmende Wirkung, sagen Wirtschaftstreibende. Seit der Ernennung von John Bolton zum Sicherheitsberater des US-Präsidenten vermuten die Menschen zudem, dass es den USA um mehr gehe als nur um den Ausstieg aus dem Atomvertrag.
Bolton hatte vor acht Monaten auf einer Veranstaltung der Volksmudschaheddin, einer linken iranischen Oppositionsgruppe, in Paris erklärt, die Trump-Administration müsse sich dafür einsetzen, dass „die Khomeini-Revolution ihren 40. Geburtstag (im Februar 2019) nicht mehr feiern darf“.