Eine Kopfhörerlegende lebt wieder auf
„Orpheus“hieß das Wunderding, für das Sammler heute Traumpreise bezahlen. Jetzt tritt der HE1 von Sennheiser in diese Fußstapfen.
Die hauchdünne Membran ist mit Platin bedämpft und hat eine Stärke von 2,4 μm, die Sennheiser als Optimum für ein kontrolliertes Schwingverhalten bei einem Kopfhörer ermittelt hat. Angeregt wird das schwingende Element durch goldbedämpfte Gitterelektroden aus Keramik, ein Material, das schwierig zu verarbeiten ist, aber Verzerrungen weitgehend verhindern soll. Und die elektrischen Signale kommen von einem Verstärker mit acht Röhren, die durch spezielle Quarzglaskolben geschützt sind. Diese fahren beim Einschalten des Geräts aus dem edlen Marmorgehäuse heraus, das in unterschiedlichen Ausführungen zu haben ist, und verschwinden am Ende wieder darin – ein optischer Gag, aber ein wenig Spaß muss sein.
Keine Frage, Sennheiser hat bei dem neuen Spitzenkopfhörer HE1 weder beim Material noch bei der Schaltungstechnik gespart. Zum 70. Firmenjubiläum im Jahr 2015 ließ das Unternehmen seinen Entwicklern freien Lauf, auch deshalb, weil der höchstmögliche Anspruch geboten war. Denn der HE1 ist der Nachfolger des legendären „Orpheus“. Dieser galt 1991 als der beste Kopfhörer der Welt und kostete schon damals 20.000 Deutsche Mark (10.225,84 Euro). Gut ein Vierteljahrhundert und vielerlei technologische Entwicklungsstufen danach ruft Sennheiser für den HE1 den Preis eines guten Mittelklassewagens aus.
Was man dafür zu hören bekommt? Zum Beispiel bei Anne
„Der HE1 sprengt die Grenzen.“Michael Schindler, Cinema
Sofie von Otter Nuancen in der Stimme, die selbst über sehr gute Lautsprecher nicht so intensiv zu vernehmen sind. Denn das Besondere beim Musikhören über Kopfhörer ist, dass keinerlei Nebengeräusche im Raum oder von außen stören. Wenn dann auch noch die Qualität eines HE1 dazukommt, wirkt die Stimme intimer und näher. Es ist, als würden sich die eigenen Ohren unmittelbar vor dem Mikrofon befinden, in das von Otter hineinsingt. Mit ihren weichen Ohrpolstern aus
Echtleder und atmungsaktivem Mikrofaserüberzug schmiegen sich die Muscheln des HE1 sanft an die Ohren an. Auch dadurch ist der Hörer noch direkter im Geschehen drinnen, als wenn er vor den Lautsprechern sitzt und naturgemäß ab und zu durch ein Nebengeräusch abgelenkt wird.
Das war auch bei einer MahlerSymphonie zu hören, die der Sennheiser-Kopfhörer breit und tief gefächert abbildete. Wie bei der Stimme der Mezzosopranistin von Otter stellte sich die Empfindung ein, ganz nahe am Orchester dran zu sein. Und auch hier gingen die Nuancen ins Ohr, sowohl bei den Stellen, bei denen die Pauken nur sehr, sehr leise von weit hinten zu hören sind, wie bei den Tonfarben der Holzund Blechbläser. Die einzelnen Orchestergruppen traten sehr klar auf der Bühne gegliedert hervor. Dynamische Sprünge von extrem leise auf fortissimo drangen explosiv ans Ohr.
Die SN haben den HE1 beim Audio- und Videospezialisten Cinema in Eugendorf gehört. Dieser ist immer wieder für Überraschungen gut, wenn es um Musikwiedergabe auf dem höchsten Level geht. Einmal war es die weltweit hochgelobte „Nautilus“von Bowers & Wilkins, jetzt ist es der HE1 von Sennheiser.
Hineinhören ist ein Erlebnis – und sei es nur, um sicher zu sein, wo der nächste Lottogewinn am besten investiert werden könnte.