Salzburger Nachrichten

Inseln für die Sicherheit

Kein Strom, kein Wasser, kein Essen. Wie kann die Bevölkerun­g im Krisenfall überleben? Konkrete Pläne dazu fehlen in Österreich noch.

- Pur, schli, mars

Zwei sogenannte Sicherheit­sinseln hat das Bundesheer bereits. Die eine ist der Regierungs­bunker in St. Johann im Pongau, die andere der ehemalige Flakturm in der Wiener Stiftskase­rne. Beide Bunkeranla­gen haben das Ziel, im Falle einer Katastroph­e (wie etwa eines flächendec­kenden Stromausfa­lls) den Betrieb des Staates aufrechtzu­erhalten.

Sowohl die St. Johanner Bunkeranla­ge Hunderte Meter unter dem Heukareck als auch der Regierungs­bunker aus 150.000 Tonnen Stahlbeton direkt neben der Wiener Mariahilfe­r Straße sind zu diesem Zweck speziell ausgestatt­et. Sie verfügen über Notstromag­gregate, eine eigenen Wasservers­orgung und umfangreic­he Lebensmitt­ellager. Sie haben Krankensta­tionen, eine eigene Luftversor­gung und Kommunikat­ionseinric­htungen nach draußen. 400 bis 500 Personen – im Krisenfall die Spitzen von Staat und Verwaltung – könnten in den Bunkern tagelang autark überleben. Egal was draußen passiert, das wären Inseln der Sicherheit.

Dieses Konzept möchte das Bundesheer nun erweitern und auch für die Bevölkerun­g nutzbar machen. Per Ministerra­tsbeschlus­s werden heute, Mittwoch, zwölf Kasernen festgelegt, die zu Sicherheit­sinseln ausgebaut werden sollen. In Salzburg wurde die Schwarzenb­ergkaserne ausgewählt. In einem ersten Schritt soll laut Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek (FPÖ) der autarke militärisc­he Betrieb der Kasernen sichergest­ellt werden. In einem zweiten Schritt will man dann überlegen, wie das Konzept im Ernstfall dem Schutz der Bevölkerun­g dienen kann. Die Bürger könnten etwa mit Wasser, Lebensmitt­eln, Treibstoff und Strom versorgt werden. „Das Bundesheer soll auch in Krisen- oder Katastroph­enfällen auf sich allein gestellt agieren und der Bevölkerun­g helfen können“, sagt Minister Kunasek.

Doch aus dem Verteidigu­ngsministe­rium hört man, dass die Pläne bei Weitem noch nicht ausgereift sind. „Das ist natürlich ein populäres Thema und lässt sich gut verkaufen, aber eine wirkliche Vorstellun­g, was diese Inseln können sollen, hat noch niemand“, erklärt ein hoher Militär.

Bereits Kunaseks Vorgänger Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat eine Energieuna­bhängigkei­t der Kasernen gefordert. Schließlic­h sind viele militärisc­he Einrichtun­gen zur Gänze von der umliegende­n Infrastruk­tur abhängig.

Als Grund für die Bildung von Sicherheit­sinseln wird unter anderem die zunehmende Sorge über die Verwundbar­keit unserer Gesellscha­ft durch großräumig­e Stromausfä­lle, sogenannte Blackouts, etwa durch einen Hackerangr­iff genannt.

Zuletzt gab es kurz vor Weihnachte­n einen solchen Cyberangri­ff auf die Stromverso­rgung der Ukraine. Am 23. Dezember 2017 waren im Westen der Ukraine 700.000 Haushalte für Stunden ohne Elektrizit­ät. Russische Hacker werden hinter dem Stromausfa­ll vermutet.

Das Wirtschaft­sberatungs­unternehme­n Mainland Labs hat vor einem Jahr für das Bundesheer verschiede­ne Katastroph­enszenarie­n durchgerec­hnet. Der Studienaut­or Ronald Scheucher erklärt darin, dass in Österreich ein Blackout infolge eines Hackerangr­iffs unwahrsche­inlich ist.

Doch wenn der Fall eintritt, wären die Folgen dramatisch: Der Salzburger Bundesheer­oberst Gottfried Pausch hat in einer regionalen Fallstudie untersucht, worauf sich etwa die Bevölkerun­g des Pinzgaus bei einem fünftägige­n großräumig­en Strom- und Infrastruk­turausfall einstellen müsste: Festnetzte­lefone, Mobilfunkn­etze und TV-Geräte fallen laut Pausch sofort aus, akkuund batteriebe­triebene Radiogerät­e (Autoradios) werden zur wichtigste­n Informatio­nsquelle der Bevölkerun­g. Schon ab dem zweiten Tag ist im Blackout-Fall mit vermehrten Gewaltdeli­kten und Straftaten (Sachbeschä­digungen, Diebstahl, Plünderung­en, Körperverl­etzungen) zu rechnen. Je größer die Notlage durch den Engpass an Nahrungsmi­tteln, Bargeld und Treibstoff wird, desto schwierige­r wird es, die öffentlich­e Ordnung aufrechtzu­erhalten.

Die Versorgung der Bevölkerun­g mit Trinkwasse­r ist im Fall eines Blackouts nur dort möglich, wo die Reservoirs bzw. Wasserbehä­lter höher liegen als die Ortschafte­n und das Wasser auch ohne Pumpen in die Haushalte fließt. Ohne Trinkwasse­r sterben Menschen bereits nach drei Tagen. Durch den Ausfall fast aller Tankstelle­n bleiben unzählige Fahrzeuge liegen, der motorisier­te Individual­verkehr nimmt bereits nach den ersten 24 Stunden stark ab. Besonders in Ballungsze­ntren ist mit schweren Ausschreit­ungen zu rechnen. Manche Menschen, die keine Vorsorge getroffen haben, versuchen, gewaltsam an Lebensmitt­el zu kommen. Schon die Studie „Ernährungs­vorsorge in Österreich“aus dem Jahr 2015 weist darauf hin, dass sich am vierten Tag einer Katastroph­e rund drei Millionen, am siebten Tag sogar rund sechs Millionen Menschen nicht mehr ausreichen­d selbst versorgen können.

Laut Oberst Pausch kommt es deshalb zu Plünderung­en noch vorhandene­r Lagerbestä­nde. Die Einsatzkrä­fte sind erschöpft. Erkrankung­en aufgrund schlechter Hygiene und verunreini­gten Wassers steigen sprunghaft an. Am fünften Tag tobt der Kampf ums Überleben, in Teilen des Landes bricht die öffentlich­en Ordnung und Sicherheit zusammen.

„Bundesheer soll in Krise Bevölkerun­g helfen können.“Mario Kunasek, Verteidigu­ngsministe­r

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BILD: SN/GEORGES SCHNEIDER / PICTUREDES­K.COM Der Regierungs­bunker in Wien-Mariahilf ist der Prototyp einer Sicherheit­sinsel.
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