Kassen bangen um Körberlgeld
Wer soll eigentlich die Sozialversicherungsbeiträge einheben? Derzeit machen das die Krankenkassen. Was ihnen ein lukratives Zusatzgeschäft beschert.
WIEN. Macht die Regierung bei der Kassenreform weitere Rückzieher? Die AUVA und die Selbstverwaltung der Kassen dürften bestehen bleiben, nun könnte die im Regierungsprogramm festgeschriebene Verlagerung der Einhebung der Kassenbeiträge von den Kassen zur Finanz am Widerstand der Länder und der Kammern sowie an verfassungsrechtlichen Bedenken scheitern.
Kanzler Sebastian Kurz hatte letzte Woche zwar ÖVP-Klubchef August Wöginger korrigiert, der zuvor den Verbleib der Beitragseinhebung bei den Kassen zugesagt hatte. Kurz verwies auf die klare Regelung im Regierungsprogramm, die auch umgesetzt werden solle. Die Einhebung soll demnach nur vorerst über eine einheitliche Einhebungsstelle bei den Kassen bleiben, aber in einem zweiten Schritt von der Finanz übernommen werden. „Die neue Finanzverwaltung übernimmt die Einhebung sämtlicher Lohnabgaben und erteilt Auskünfte an die Arbeitgeber“, steht schon im Regierungsprogramm. „Die Beiträge werden anschließend an die jeweiligen Sozialversicherungsträger verteilt.“
Doch die Länder machen weiter Druck. Und in den Kassen wurde bereits vor einer „Verstaatlichung“des Gesundheitswesens gewarnt, sollten Einhebung und Beitragsprüfung zur Finanz wandern.
Bei einer Einhebung durch die Finanz fallen die Kassen auch um ein beträchtliches Körberlgeld um, wie der Neos-Abgeordnete Gerald Loacker im SN-Gespräch betont. Die Krankenkassen heben bisher neben ihren eigenen Beiträgen nämlich auch Pensionsversicherungsbeiträge, Beiträge zur Unfallversicherung, die Arbeiterkammer-Umlage, den Wohnbauförderungsbeitrag und Zahlungen an betriebliche Vorsorgekassen ein und leiten diese nach Abzug eines relativ hohen Verwaltungsprozentsatzes weiter.
Über die Jahre hätten sich die Einkünfte der Kassen dadurch enorm gesteigert, sagt Loacker. „Das ist für mich der Hauptgrund, warum die Kassen sich so wehren gegen die Einhebung durch die Finanzämter.“Es geht um 300 Millionen Euro im Jahr, mit denen sich die Kassen bisher ihre Verwaltungskosten schönrechnen und ihre Finanzierung künstlich aufbessern konnten.
Die Neos sahen die Regierungspläne zur Sozialversicherung sehr positiv. „Aber die Regierung rudert bei allem zurück“, beklagt Loacker. „Die Zusammenlegung der Kassen läuft darauf hinaus, dass man mit der Österreichischen Gesundheitskasse eine zehnte Kasse über den neun Gebietskrankenkassen, die aber alle Finanzautonomie und Personalautonomie haben, einzieht. Die AUVA bleibt erhalten. Was soll da die Reform sein?“
Nach einem Gutachten des Verfassungsjuristen Walter Berka darf den Sozialversicherungen die Einhebung der Beiträge zudem gar nicht weggenommen werden, wenn sie selbstverwaltet sind. Loacker, dessen Partei der Regierung zu einer Verfassungsmehrheit verhelfen kann, dazu: „Man hat schon Dinge von wesentlich geringerer Bedeutung in den Verfassungsrang gehoben – wenn man das wollte, wird es daran nicht scheitern. “